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Die Zusammenarbeit mit Opernregisseur Hans Neuenfels stand für Hamburgs Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher schon zu seinem Amtsantritt auf dem Wunschzettel. Erst jetzt, ein Jahr vor Ende seiner Tätigkeit in der Hansestadt, stellten beide ihr erstes gemeinsames Projekt vor: «Fidelio».
Hamburg (ddp). Ludwig van Beethovens einzige Oper, feierte am Sonntagabend grandiose Premiere an der Hamburgischen Staatsoper. Der als Regie-Berserker berühmt-berüchtigte Neuenfels begeisterte das Publikum mit einer poetischen, teils rätselhaften Interpretation des großen Klassikers der Operngeschichte. Orchester und Sänger präsentierten sich ebenfalls in großartiger Form.Ganz harmlos startet «Fidelio» als hübsches Singspiel aus dem bürgerlichen Alltag des Gefängniswärters Rocco (Hans-Peter König). Dessen Tochter Marzelline (Aleksandra Kurzak) ist dem Gehilfen Jaquino (Christian Baumgärtel) versprochen. Doch plötzlich gibt es da Fidelio (großartig: Susan Anthony), diese rätselhafte Person, und aus der bürgerlichen Idylle entwickelt sich eine Stimmung des Begehrens und Verlangens. Marzelline hat es auf Fidelio, diese Frau in Männerkleidern, abgesehen. Ihre unerfüllten erotischen Fantasien schließen fortan Männer und Frauen gleichermaßen ein. Ein lüsterner Hund umkreist permanent die emotional verwirrte Gesellschaft.
Fidelio/Leonore, die treue Ehefrau, ist seit zwei Jahren auf der Suche nach ihrem Mann. Der ist unschuldig eingekerkert, und Leonore hofft nun, als Gehilfin des Gefängniswärters zu ihrem Mann Florestan (Hubert Delamboye) vorzudringen. Leonore spielt das Verliebtsein-Spiel mit, und Vater Rocco lässt Tochter Marzelline und den Schwiegersohn in spe, Fidelio, für kurze Zeit auf himmelblauen Wölkchen schweben. Diese kleine Welt wird unversehens in einen Strudel hineingezogen, in dem es um Leben und Tod geht.
Wie es sich für eine echte Befreiungsoper gehört, sitzt Florestan willkürlich im Kerker, und Pizarro (herausragend: Falk Struckmann), der Gouverneur, will ihn ermorden. Es ist dann Florestan, die treue Ehefrau, die sich dazwischenwirft und die Pistole auf den Gouverneur richtet. In diesem Moment erscheint der Minister als Symbol der integeren Staatsmacht und rettet gemeinsam mit der liebenden Frau den Gefangenen. So die Botschaft Beethovens in «Fidelio».
Alles Militärische dieser Oper zieht Regisseur Neuenfels ins Operettenhaft-Lächerliche. Seine Figuren kleidet er durchgehend in Schwarz oder Weiß, lediglich Marzelline, die Figur am Rande der Handlung, ist in niedliches Rosa geschlüpft. Farbe auf die Bühne bringt auch der skurrile Gefangenenchor, der vom Bergarbeiter mit Grubenhelm bis zum Chinesen im Mao-Look ein Panoptikum bunter Figuren versammelt. Auch die engelsgleichen Kinder mit silbernen Perücken und gefesselten Händen verheißen keine Hoffnung für die Zukunft.
Während die Geschichte um den Eingekerkerten und seine liebende Ehefrau sonst gerne mit viel Pathos inszeniert wird, begegnen sie sich bei Neuenfels nach zwei Jahren mit Fremdheit und ohne körperliche Anziehung wieder. Leonore und Florestan sind sich fremd geworden in der Zeit seiner Abwesenheit. Mit körperlicher Distanz und ohne die erwartete emotionale Tiefe nach der langen Zeit der Trennung singen beide ihr Schlussduett vom Blatt. Am Ende verfangen sie sich buchstäblich in ihren eigenen Spinnennetzen. So ist auch das gewählte Finale keine euphorische Glorifizierung der Ehe, sondern eher eine Wunschvorstellung.
Angelika Rausch
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