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Zaubertheater eines weisen Künstlers - Ein Werk wie «Falstaff» - Henzes mutmaßlich letzte Oper «L\'Upupa» in Salzburg uraufgeführt
Salzburg (ddp-bay). Der Meister wirkte gebrechlich, als er mit Smoking und Stock auf der Bühne des Kleinen Festspielhauses in Salzburg erschien und die Ovationen des Publikums in Empfang nahm. Hans Werner Henze, der wohl größte lebende Opernkomponist, ist alt geworden und längst ein Mythos seiner selbst. In seiner neuesten Schöpfung, der Opernkomödie «L\'Upupa und der Triumph der Sohnesliebe» zieht er eine Bilanz seines Lebens. Ein abgeklärtes Spätwerk wie Giuseppe Verdis «Falstaff»: klar und übersichtlich die Form, menschenfreundlich-heiter der Inhalt, reduziert, entrümpelt die Musik.Erstmals hatte Henze zu seiner am Dienstagabend uraufgeführten Oper auch das Libretto selbst verfasst. Als Grundlage diente ihm ein Märchen aus dem Arabischen: Ein alter Vater schickt seine drei Söhne aus, den entflogenen Glücksvogel L\'Upupa wiederzufinden. Doch nur sein Lieblingssohn Al Kasim wagt sich in das Traumland hinter dem Großen Tor. Dort muss er zahlreiche Abenteuer bestehen, findet den Vogel, gewinnt eine Braut und kehrt nach Hause zurück. Der Vater aber entlässt den Vogel in die Freiheit.
Schwerlich, in dem alten Mann und weisen Herrscher nicht das Alter Ego des Komponisten zu sehen. «L\'Upupa» ist eine Parabel auf das Glück, das flüchtig und schwer zu fassen ist und das man wohl nur erlangt, wenn man es nicht festzuhalten trachtet. Eine Erkenntnis, die man vielleicht erst im hohen Alter entdeckt.
Zugleich ist das «Deutsche Lustspiel in elf Tableaux aus dem Arabischen», wie Henze sein Werk übertitelte, ein heiteres Bekenntnis des nahe Rom lebenden, kosmopolitischen Künstlers zu seinen deutschen Wurzeln. Vielleicht so etwas wie eine späte Heimkehr des hierzulande lange Zeit wegen seiner kommunistischen Anschauungen und seiner Homosexualität lange Zeit geschmähten Komponisten.
Henzes musikalischer Spätstil ist gekennzeichnet durch eine radikale Reduzierung auf das Wesentliche. Schon der beinahe klassische Orchesterapparat lässt die Experimente und klanglichen Exzesse der Avantgarde weit hinter sich. Die Musiksprache des 77-jährigen Komponisten gleicht einem langen, ruhigen Fluss, der nur gelegentlich durch heftige Aufwallungen von Schlagwerk oder Klavier unterbrochen wird.
Verfremdungseffekte werden erzielt durch elektronische Einspielungen von Vogelgezwitscher und Geflatter, das zuweilen an Alfred Hitchcocks Gruselklassiker «Die Vögel» erinnert. Dirigent Markus Stenz führte die glänzend aufspielenden Wiener Philharmoniker und den Wiener Staatsopernchor virtuos durch die anspruchsvolle Partitur und wurde dafür vom Publikum zu Recht bejubelt.
Regisseur Dieter Dorn und Bühnenbildner Jürgen Rose waren weise genug, das Zaubertheater Henzes nicht durch «Regieeinfälle» zu toppen. Sie beschränkten sich darauf, das Märchen fantasie- und humorvoll zu bebildern. Rose ließ die Zuschauer durch ein großes, sich öffnenden und schließendes Tor in eine orientalische Bilderwelt eintauchen. Dort wird Al Kasim von einem Dämon auf riesigen, schwarzen Stoffschwingen durch das Traumland geführt, entdeckt in einem märchenhaften Blumenwald die «L\'Upupa», entführt die Prinzessin Badi\'at aus einer gigantischen, roten Mohnblume oder wird mit ihr zusammen in einen tiefen Brunnen gestürzt, wo sich eine heiter-groteske Liebesszene entfaltet.
Das Publikum zeigte sich von dieser Regieleistung ebenso angetan wie von den Leistungen des Sängerteams, allen voran der besonders als Liedinterpret zu Weltruhm gelangte Bariton Matthias Goerne in der Rolle des Lieblingssohnes Al Kasim. Jubel auch für Laura Aikin als Badi\'at, John Mark Ainsley als Dämon, Alfred Muff als alten Mann sowie die legendäre Hanna Schwarz als Malik.
Die Uraufführung war nicht nur ein stürmisch bejubelter Erfolg für Henze und die Interpreten, sondern auch für Festspiel-Intendant Peter Ruzicka, der direkt nach seiner Berufung im Dezember 1999 den sich mit Opernplänen tragenden Komponisten nach Salzburg eingeladen hatte. Umso bedauerlicher, dass weitere Auftragskompositionen der Festspiele aus Geldmangel gefährdet scheinen.
Georg Etscheit