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Die Rezension: Hölszkys «Der gute Gott von Manhattan»

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Kopulierende Puppen, singende Eichhörnchen und steppende Choristen sind einige der Zutaten des neuesten Bühnenwerks von Adriana Hölszky. "Der gute Gott von Manhattan" wurde im Rahmen der Schwetzinger Festspiele uraufgeführt.

Schwetzingen (ddp). Auf der Bühne ein Stahlgebäude, das im Parterre Waschkabinen eines Bahnhofs beherbergt und im Obergeschoss ein eher steriles Hotelzimmer mit Deckenstrahlern und einem Fernseher, der, da Blickkontakt unmöglich, den Dirigenten Alexander Winterson zeigt.

Aus einem One-night-stand von Jan und Jennifer wird Liebe. Alles andere ist ihnen egal, sie kapseln sich ab, die Liebe wird zur Anarchie. So verstoßen sie gegen die gesellschaftliche "Ordnung", für deren Erhalt der "gute Gott" und die Eichhörnchen stehen. Auf diesen Verstoß steht der Tod. Ein vermeintliches Geschenk für Jennifer und Jan entpuppt sich als Bombe, die beide töten soll. Jan entgeht dem Anschlag. Die Eichhörnchen reduzieren in einem überspannten Puppentheater die Tragik verbotener Liebe auf den Beischlaf.

Die Arbeit der Librettistin Yona Kim beschränkte sich darauf das Hörspiel der österreichischen Dichterin Ingeborg Bachmann zu kürzen, die die Geschichte mit Rückblenden erzählt. Rahmen ist bei ihr eine Gerichtsverhandlung mit dem "guten Gott" als Angeklagtem. So entfällt auch weitgehend die gesellschaftskritische Komponente, an die nur noch das "Glaubensbekenntnis" des guten Gottes erinnert, für den die Liebe "verderblicher als jedes Verbrechen" ist.

Die Partitur der deutsch-rumänischen Avantgardekomponistin ist stolze 1,5m hoch und ihr Anblick erinnert an eine halbfertige Patchworkarbeit. Hölszky schafft "Verschachtelungen musikalischer Räume". Bestimmte Instrumente treten stets gemeinsam auf wie Akkordeon, Saxophon und Mundharmonika oder Cembalo und Gitarre. Andere werden nie gemischt wie Blechbläser und Alphörner, die hinter den Zuhörern auf dem zweiten Balkon postiert sind. Die Auswahl der "normalen" Orchesterinstrumente ist tiefenbetont: so sind drei Bass- und eine Kontrabassklarinette beteiligt.

Das Klangbild ist geprägt von geräuschhaften und perkussiven Elementen. Eine Steigerung bei der Explosion ist kaum noch möglich: ein aufgeregt schimpfender Chor, Trompetengeschnatter und Paukenwirbel. Die acht Choristen der Sächsischen Staatsoper Dresden müssen vor allem knurren, rhythmisch steppen, fauchen oder melodisch schnalzen und stimmen regelmäßig Indianergeheul an - Manhattan ist indianisch und bedeutet "Himmlische Erde". Die Eichhörnchen (Birgit Fan-drey und Anja Maria Kaftan), später als Polizistinnen gekleidet, haben extrem hohe Lachkoloraturen zu bewältigen, Elisabeth Wilke als Zigeunerin eine relativ hohe Altpartie.

Der Countertenor Daniel Gloger radelt als "guter Gott" auf die Bühne, muss kratzen und hauchen oder wie die sich überschlagende Stimme eines hysterischen Kindes klingen. Bassbariton Andreas Scheibner als Jan und die Mezzosopranistin Ann-Katrin Naidu als Jennifer meistern bravourös ihre um-fangreichen radikalen Partien, in denen oft ein kontrolliertes Kippen der Stimme gefordert ist. Sänger, Orchester und Inszenierung (Stephan Kimmig) wurden mit viel Applaus belohnt, Adriana Hölszky erntete vereinzelte Bravorufe.

Silke Blume
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