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Der «Kini» ist tot, es lebe der «Kini» - Neues Ludwig-Musical in Füssen uraufgeführt - Viel Lob vom Premierenpublikum
Füssen (ddp). Das hätte selbst dem menschenscheuen «Kini» sicher gefallen: Minutenlangen Beifall und stehende Ovationen gab es am Freitagabend in Füssen für das neue Musical «Ludwig²», das den Mythos des bayerischen Märchenkönigs Ludwig II. zweieinhalb Stunden lang zelebriert. Große Melodien, viel Pathos und etwas Kitsch bekamen die rund 1400 Gäste bei der Uraufführung in Bayern zu sehen. Ludwig II. als Visionär und Pazifist, als Opfer politischer Intrigen, als unglücklich Liebender - ab jetzt singt und stirbt er wieder mehrmals pro Woche.Zur Premiere hatte sich im Festspielhaus Neuschwanstein vor der idyllisch verschneiten Kulisse der Allgäuer Alpen Prominenz aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft eingefunden. Auch Geraldine Chaplin hielt zur Erleichterung der Musical-Macher Wort und marschierte als Stargast über den roten Teppich. Eigentlich hätte sie ja als Engel über der Bühne schweben sollen, wegen eines anderen Engagements war der Hollywoodstar dann aber doch abgesprungen und genoss nun das süße Nichtstun: «Ich bin so froh, heute nur Zuschauer zu sein, auf der Bühne wäre ich schrecklich aufgeregt», sagte sie.
Mit den anderen Premierengästen begab sie sich dann auf die Reise: Ausgehend von einem Spaziergang mit seinem Psychiater Dr. Gudden am künstlichen Bühnensee wird das Leben Ludwigs II. - so wie es Autor Rolf Rettberg sieht - in Rückblenden erzählt. Angefangen bei seiner freudlosen Kindheit im lieblosen Elternhaus, über seine Leidenschaft für Richard Wagner, die frühe Krönung, Ludwigs unerfüllte Liebe zu seiner Cousine Sisi, die hier quasi erzwungene Kriegserklärung an Frankreich, seine Bauleidenschaft, bis hin zu seinem mysteriösen Tod, der im Stück gar nicht so mysteriös bleibt.
Einen gebrochenen Mann, gar bausüchtig oder mit homosexuellen Neigungen, wollten die Macher nicht auf der Bühne sehen. Der Mythos und das Märchen Ludwig sollten hochgehalten werden, um mit leicht verdaulicher Unterhaltung eine breite Zielgruppe und viele Touristen ins Musical-Theater zu locken.
Tief beeindruckt zeigte sich das Publikum von der mit 15 000 roten Blüten überhäuften Roseninsel, auf der Ludwig und Sisi sich zu einem romantischen Duett verabreden. In einer Kriegsszene kämpft Ludwigs Bruder Otto, gespielt von Gaststar André Eisermann, gegen sieben riesige, bis zu acht Meter hohe Skelette an. Waffennarren und Armee-Vertreter schmieden ihre Intrigen gegen den König an einem Tisch, der sich bei Kerzenschein immer schneller über die Bühne dreht, je größer die Wut der Verschwörer wird. Mit solchen Ideen traf der amerikanische Set-Designer Michael Curry den Geschmack der
meisten Premierengäste.
Dazu gibt es mal eher opernhafte, dann wieder laute, hollywoodtaugliche Musik aus der Feder von Konstantin Wecker, Christoper Franke und Arrangeur Nic Raine. «Musikalisch prasselt es da ja nur so auf einen nieder», sagte Schauspieler Ottfried Fischer. «Sehr, sehr ordentlich, das Stück.» Vor allem die Verlagerung auf die politische Komponente im zweiten Akt gefiel ihm.
Auch Geraldine Chaplin kam ins Schwärmen: «Ich liebe dieses Musical.» Für den bayerischen Märchenkönig habe sie stets «mütterliche Instinkte» gehegt. «Ich hatte immer das Gefühl, man müsste ihm helfen.» Diese Aufgabe überließ sie allerdings lieber Kollegin Christine Kaufmann, die als helfender Engel und innere Stimme Ludwigs einsprang. Völlig mitgerissen zeigte sich nach der Vorstellung Ex-Ski-Ass Christian Neureuther: «Bühnenbild, Musik, alles - ich bin total begeistert», sagte er.
Einen Skeptiker gab es immerhin: Der Schluss des Musicals, der nahe legt, dass Ludwig II. von seinen Gegnern erschossen wurde und nicht in Selbstmordabsicht in den See ging, sei «historisch sicher Blödsinn», betonte Prinz Luitpold von Bayern. «Das weiß ich ganz sicher.» Der Vertreter des Hauses Wittelsbach räumte aber ein: «Das Drehbuch eines Musicals muss kein Geschichtsbuch sein.»
Weitere Premierengäste waren die Schauspieler Wolfgang Fierek und Christine Neubauer, Bayerns Innenminister Günther Beckstein, Wirtschaftsminister Otto Wiesheu und Justizministerin Beate Merk (alle CSU) sowie Society-Lady Ingrid Flick, die mit dem Hubschrauber einflogen worden war.
Marina Antonioni