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Die Rezension: „Parsifal“ in Berlin

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Fast ein Untergang - Filmmogul Bernd Eichinger stellt in Berlin erste Opernarbeit vor - Richard Wagners «Parsifal» als Zeitreise

Berlin (ddp). Wie wird aus einer schlichten Opernaufführung ein «Event» im modernen Stil? Man nehme Richard Wagners Erlösungsdrama «Parsifal» und man engagiere Filmproduzent Bernd Eichinger als Regisseur. Am Samstag stellte Eichinger an der Berliner Staatsoper Unter den Linden seine mit Spannung erwartete erste Opernarbeit vor.

Für das Opernhaus ging die Rechnung einerseits auf, denn viel Prominenz sorgte für große Aufmerksamkeit. Künstlerisch jedoch ging die Staatsoper baden, denn der Filmmogul («Der Untergang», «Der Name der Rose»), der seine Inszenierung als Zeitreise anlegte, die schließlich im New Yorker Central Park endete, fand vor dem Publikum nur wenig Gnade. So mochte auch der eigens angereiste Wagner-Clan mit Wolfgang Wagner, Ehefrau Gudrun und Tochter Katharina nur höflichen Beifall spenden. Das übrige Publikum buhte Eichinger aus.

«Ich bin gekommen, weil ich ein Wagner-Fan bin, aber Eichinger mag ich auch», bekannte Skandalregisseur Christoph Schlingensief, der im vergangenen Jahr eine bis heute heiß diskutierte «Parsifal»-Inszenierung in Bayreuth abgeliefert hatte, vor der Aufführung. Schauspielerinnen wie Katja Flint, Barbara Rudnik, Corinna Harfouch und Alexandra Maria Lara waren wohl eher aus Verbundenheit mit Eichinger gekommen, wie sie selbst bekannten. Als wahrer Opernfan mochte sich kaum einer der Prominenten outen.

Eichinger beginnt seinen «Parsifal» zunächst mit ganz archaischen Bildern: ein fast naturalistischer Wald, Figuren in Gewändern, die auch in einem Bibeldrama reüssieren könnten. Der Gralsritter Gurnemanz (gut: Rene Pape) sorgt sich um den siechen König Amfortas und wendet sich um Hilfe suchend an Kundry (Michaela Schuster). Die ist ebenso demütige Gralsbotin wie lockende Schönheit und damit dem Reich Klingsors (Jochen Schmeckenbecher) angehörend. Sie, die lachte, als der Heiland sein Kreuz nach Golgatha trug, ist verdammt zum ewigen Dasein ohne Erlösung. In Kundrys Armen überraschte Klingsor den Gralskönig, entwand ihm den heiligen Speer und verwundete ihn damit. Diese Wunde will seither nicht heilen, bis Parsifal, «der reine Tor», in den Besitz des Speers kommt und mit ihm die Wunde des Königs heilt. Das macht ihn schließlich selbst zum König.

Seit seiner Uraufführung 1882 in Bayreuth ist der «Parsifal» immer wieder als christliches Drama inszeniert worden. Vor allem der Karfreitag spielt als Tag der Erlösung eine tragende Rolle. Eichinger wollte diesem christlichen Deutungsmuster entgehen und nahm das große Rätselwort der Oper, «zum Raum wird hier die Zeit» zum Anlass für eine Erlösungssuche durch Raum und Zeit. Mit plakativ eingespielten Videoszenen schickt er Wagners Musik durch die ägyptische Geschichte, lässt Khmer-Tänzerinnen auftreten und endet schließlich bei der Explosion einer Atombombe.

Bewusst weg vom christlichen Deutungsmuster geht Eichinger auch, als er Amfortas mit griechischer Toga und Lorbeerkranz ausgestattet vor den antiken Ruinen einer untergegangenen, eben nicht-christlichen Kultur agieren lässt. Gral, Speer und Taube entstammen zwar der christlichen Überlieferung, Wagner selbst jedoch war Zeit seines Lebens ein entschiedener Gegner der christlichen Kirchen.

Zu blutroten Video-Einspielungen kommt der Regisseur auch immer, wenn es um die Wunde des Amfortas geht, die nicht heilen will. Dann kommen aber auch die schwächsten Passagen der Eichinger-Inszenierung: Der Regisseur lässt seine Sänger hilflos vor der Leinwand am Bühnenrand stehen. So entsteht der Eindruck einer Steh-Oper, in der die Personen nicht miteinander eine Geschichte zu erzählen haben. Dabei ist die Idee, Amfortas Wunde als die Wunde einer ans Ende gekommenen Menschheit zu deuten, ganz schlüssig und wird in vielen «Parsifal»-Deutungen so ausgelegt. Zum Zeitreisenden wird am Ende auch Parsifal selbst, der einer New Yorker Central-Park-Tapete entsteigt und am Ende in das Reich des Amfortas zurückkehrt, um dort selbst zum König zu werden.

Zum König des Abends in der Staatsoper aber wurden vom Publikum nicht Regisseur und nicht Sänger, sondern der musikalische Leiter Daniel Barenboim gekürt, der seine Staatskapelle Berlin souverän sechs Stunden lang durch Wagners Bühnenweihfestspiel leitete.

Angelika Rausch
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