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Die Rezension: «Peter Grimes» in Salzburg

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Musikalischer Höhenflug im Opernmuseum - Brittens «Peter Grimes» bei Salzburger Opernfestspielen umjubelt

Salzburg (ddp). Der Dirigent Sir Simon Rattle ist ein Phänomen. Wo der britische Wuschelkopf den Taktstock hebt, scheint ihm die begeisterte Zustimmung des Publikums sicher zu sein. Das liegt wohl an seiner zupackenden, dynamischen Art, seiner fast schon naiven Musizierlust, die auch dem jetzt 50-Jährigen nicht abhanden gekommen ist. Und natürlich an der Qualität seines Orchesters, der Berliner Philharmoniker. Die beeindruckten die Besucher der Salzburger Opernfestspiele am Samstagabend mit einer musikalisch geglückten Neuinszenierung von Benjamin Brittens «Peter Grimes» und wurden dafür mit Ovationen bedacht.

In dem Fischer-Drama «Peter Grimes», der wichtigsten britischen Oper seit Henry Purcell, war der Brite Rattle offenbar ganz in seinem Element. Die 1945 uraufgeführte Oper beschreibt das harte Leben in einem Fischerdorf an der englischen Ostküste des 19. Jahrhunderts. Hauptfigur ist der Fischer Peter Grimes, ein zu sich selbst und zu seinen Mitmenschen unbarmherziger Außenseiter, der von der Dorfgemeinschaft zu unrecht beschuldigt wird, seinen Lehrjungen getötet zu haben. Einzig die Lehrerin Ellen Orford und der pensionierte Kapitän Balstrode halten zu ihm.

Grimes ist bei Britten aber kein reiner Bösewicht, sondern ein in sich zerrissener Mensch, der seinen Platz in der Gesellschaft nicht finden kann. Die Handlung spitzt sich zu, als ein weiterer junger Gehilfe des Fischers ums Leben kommt. Die Dorfgemeinschaft will Grimes lynchen. Balstrode bewegt den Fischer dazu, den Mob durch Selbstmord zu entgehen. Peter Grimes versenkt sich daraufhin selbst mit seinem Boot im Meer.

Brittens Musik lebt von dem Kontrast von tief empfundenen menschlichen Gefühlen und exzessiven Gewaltausbrüchen. Berühmt ist die Oper für ihre lautmalerischen Seebilder, vor allem die Sturmszene, die Britten in seinem «for sea interludes» für Orchester zusammenfasste. Menschen und Natur werden einmal anmutig friedlich, mal als zerstörerisch und todbringend beschrieben.

Rattle und die Philharmoniker loteten die Musik zuweilen fast bis zur Schmerzgrenze aus, wobei es an der Interpretation aber nie an Transparenz mangelte. Dabei wurde er von einem brillanten Sängerensemble unterstützt. Robert Gambill sang die Titelrolle des Peter Grimes, Amanda Roocroft die Ellen Orford, den Balstrode interpretierte John Tomlinson.

Die streng naturalistische und textgetreue Inszenierung von Sir Trevor Nunn und seinem Bühnenbildner John Gunter kam der Musik niemals in die Quere. Netze flickende Fischer, Fischerhäuschen wie aus dem Faller-Katalog, eine an Robinson Crusoe gemahnende Pfahlhütte als Heimstatt von Peter Grimes: So ähnlich hätte man sich auch die Uraufführung vor 60 Jahren vorstellen können. Das Publikum störte sich nicht an der zwar geschmackvollen, aber intellektuell wenig ansprechenden Regieleistung. Aber die von Herbert von Karajan gegründeten Salzburger Osterfestspiele waren selten der Ort ästhetischer Extravaganzen.

Georg Etscheit
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