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Halbzeit im «Ring» - Mit «Rheingold» und «Walküre» gehen die ersten beiden Teile der Wagner-Tetralogie in Bayreuth über die Bühne
Bayreuth (ddp). Brünnhilde liegt im Hochsicherheitsbunker, echtes Feuer darf auf der Bühne züngeln und Wotan noch einmal beschwörend den Speer in die Luft stoßen. Seine «Wunschmaid» muss nun auf Jung-Siegfried warten, wenigstens im erholsamen Schönheitsschlaf, und damit ist Halbzeit im «Ring des Nibelungen»: Am Dienstag und Mittwoch gingen mit «Rheingold» und «Walküre» die ersten beiden Teile von Richard Wagners Mammut-Werk über die Bayreuther Festspiel-Bühne - und das unter heftigem Applaus des Publikums.Jürgen Flimm hat im fünften Jahr seiner Inszenierung kaum noch etwas verändert, nur kleine Details in der Personenregie, umgesetzt durch seine Assistentin, denn der Meister war in Salzburg mit Purcells «King Arthur» beschäftigt. Doch was sollte in seiner relativ runden, in sich schlüssigen Version noch variiert werden, zumal sie nach diesem Sommer in die Festspiel-Mottenkiste wandert und nicht nur die Kritiker vornehmlich eines beschäftigt: Wer übernimmt nach Lars von Triers Rückzug den «Ring» 2006? Auch das mag Flimm dazu bewogen haben, diesmal dezent dem Hügel fern zu bleiben.
Seine Götter verhandeln dagegen wie eh und je zwischen Flaschenbier und Pappbecher-Wein, klopfen sich auf die Schenkel und es fehlte nur noch, dass die Skatkarten aus der Hosentasche gezogen werden. Endlich in Walhall angekommen, wird es dann businessmäßig, denn der Götterboss ist in die Chefetage vorgerückt. Ein «Global Player», wie Flimm einst angekündigt hatte, wird dieser Wotan nicht mehr. In seinem «Ring» ist «menscheln» angesagt, vom möchtegern-schlägernden Pubertär-Donner bis zu Hausfrau Sieglinde, die mitten im bedrohlichen Disput zwischen Hunding und Siegmund den Esstisch in die Küche rollt. Das kennt man, das ist ganz nah an den Leuten dran, das ist Flimm.
Die Sänger scheinen an dieser Personenregie Gefallen gefunden zu haben. Alan Titus wirft - auf eigenen Vorschlag - wild mit Laptops und Diktiergeräten um sich und läuft als Darsteller überhaupt zur Hochform auf. Allerdings kommt sein ökonomisch eingesetzter Gesang dabei etwas kurz. Die Prägnanz der vergangenen Jahre sucht man dabei vergeblich, und dass die Deklamation bei Wagner nicht ganz unwichtig ist, scheint er manchmal zu vergessen. Dagegen fesselt das «Restpersonal» etwas mehr: Mihoko Fujimura etwa in der Rolle der Fricka, die ihrem Göttergatten ordentlich und mit klarem, bestimmtem Mezzo die Leviten liest.
Der köstliche Loge von Arnold Bezuyen ist ein wendiger Conferencier mit echten Belcanto-Qualitäten. Und so würde man sich bei mancher Verausgabung auf dem Schlachtfeld der Hochdramatik ein bisschen mehr Schönklang wünschen. Eva Johansson ist zwar die leidenschaftlichste Sieglinde, die diese «Walküre» bisher gesehen hat, doch ihre übersteuerte, Vibrato-angereicherte Stimme verbreitet alles andere als die warm dahinfließenden Samttöne, die man von ihrer Vorgängerin Violeta Urmana noch im Ohr hat.
Robert Dean Smith geht den Siegmund - auch stimmlich - immer unverkrampfter an, was für die jugendlich-grazile Brünnhilde von Evelyn Herlitzius ebenso zutrifft. Zudem tröstet ihre wahrlich beeindruckende Bühnenpräsenz über ein gewöhnungsbedürftiges Timbre hinweg.
Adam Fischer lässt mitunter Betörendes aus dem Graben strömen, doch sein kammermusikalisch inspirierter Ansatz lässt oft den notwendigen Zugriff vermissen. Der Walkürenritt kommt zu zaghaft, Wotans Wut findet im Orchester keinen Widerhall. Bleibt zu hoffen, dass Fischer in der zweite Hälfte des «Rings» nachlegt, denn allerspätestens bei der «Götterdämmerung» am Sonntag sollte es auch mal ordentlich krachen.
Christa Sigg