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Halbzeit im «Ring» - Publikum feiert Aufführungen von «Rheingold» und «Walküre» bei den Bayreuther Festspielen
Bayreuth (ddp). Mit dem «Rheingold» und der «Walküre» gingen am Sonntag und Montag die ersten beiden Teile von Richard Wagners «Nibelungen»-Tetralogie über die Bayreuther Festspielbühne. Die Begeisterung des Publikums galt vor allem den Sängern sowie dem Star dieses Mammutunternehmens, Dirigent Adam Fischer. Der ließ Betörendes aus den Tiefen des Orchestergrabens strömen - von den magischen Es-Dur-Harmonien am Anfang bis hin zum leuchtenden Feuerzauber am «Walküren»-Ende.Ganz im Sinne des Werkstattgedankens hatte Regisseur Jürgen Flimm im Vorjahr noch einmal an seiner Inszenierung gefeilt. Diesmal war bis zu Brünnhildes Verschwinden im Hochsicherheitsbunker die «Version 2002» zu sehen, und das wird sich vermutlich auch im «Siegfried» und in der «Götterdämmerung» nicht ändern. Flimm bleibt bei seiner menschelnden Göttersippschaft und sorgt damit zumindest im «Rheingold» für operettenhafte Kurzweil.
Zwischen Dosenbier und Pappbechern wird mal eben über das Schicksal von Göttin Freia verhandelt, und im Grunde warten alle nur darauf, dass Wotan endlich mit einer Skatrunde beginnt. Amüsant ist das allemal, auch noch im vierten Jahr des «Jahrtausend-Rings», der schließlich keiner wurde. Und müsste der Götterboss nicht mit Notebooks um sich werfen und seine Walküren zornig treten, dürfte man ihn tatsächlich für einen versierten Herrn aus der Chefetage eines Weltkonzerns halten. Einen «Global Player» also, wie Flimm einst ankündigte.
Alan Titus spielt diesen Wotan mit großer Überzeugungskraft und singt ihn noch besser. Seine Stimme hat sich erholt und gewann deutlich an Prägnanz. Deshalb sah er diesmal ganz und gar nicht alt aus neben Frickas alias Mihoko Fujimuras sattem Mezzo, mit dem sie dem Göttergatten ordentlich einheizt. Überhaupt sind diese Dialoge Flimms große Stärke, und so banal es klingt: Seine Protagonisten haben sich wirklich etwas zu sagen, werden in einer klaren Personenregie gezeichnet.
Neben Schnickschnack und einem Übermaß gut gemeinter Erklärungen gibt es Szenen, die im Gedächtnis bleiben. Etwa, wenn Brünnhilde bei der Todesverkündigung in einem kultstättenähnlichen Rund erscheint und Siegmund mit Kriegsbemalung versieht und auf den drohenden Kampf vorbereitet. Oder wenn um den zum Stahlgehäuse mutierten Walkürenfelsen echten Feuerzungen aus dem Boden flackern.
Doch vor allem bietet dieser «Ring» neben Alan Titus ein gesanglich fesselndes Personal: Rollenneuling Arnold Bezuyen ist zwar ein etwas behäbiger, doch dafür stimmschöner und präzise deklamierender Loge. Hartmut Welker mimt und singt als Alberich einen rabenschwarzen Fiesling, dessen Fluch seine Wirkung nicht verfehlt.
Optisch ist die für eine Walküre ausgesprochen grazile Evelyn Herlitzius Wotans Wunschmaid. Als hochdramatische Brünnhilde verfügt sie über verblüffende Stimmreserven, doch ihr wenig flexibler, vibratoreicher Sopran ist nach wie vor gewöhnungsbedürftig. Robert Dean Smith wird als Siegmund von Jahr zu Jahr lockerer. Und \'Sieglinde\' Violeta Urmana ist ganz einfach Wohlklang in persona. Ihr wunderbar warmes Timbre hat Suchtcharakter.
Am Mittwoch und Freitag werden mit «Siegfried» und «Götterdämmerung» die beiden letzten Teile des «Rings» geschmiedet.
Christa Sigg