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Verdruss im Deko-Land - Philippe Arlaud lieferte auch im dritten Jahr seiner Bayreuther «Tannhäuser»-Inszenierung keine neuen Akzente
Bayreuth (ddp). Neuer Tannhäuser, neues Glück? Spätestens, wenn sich nach dem Vorspiel drei gelenkige Grazien im schockgefrosteten Venusberg räkeln, wird klar, dass alles beim Alten geblieben ist. Philippe Arlaud änderte seine «Tannhäuser»-Regie allenfalls marginal und setzt auch im dritten Jahr seiner Bayreuther Festspiel-Inszenierung auf Licht und Farbe. Warum den komplizierten Weg einer schlüssigen Personenregie gehen, wenn es mit einer bunten Deko-Bühne viel einfacher geht?Doch diese Rechnung geht immer noch nicht auf, nicht einmal am Tag nach Christoph Schlingensiefs Bilder-Exzess im neuen «Parsifal». Denn im Gegensatz zu Arlauds Aneinanderreihung hohler Gesten, war die Video-Show mit Opern-Zusatz wenigstens nicht langweilig. Also musste man sich schon auf die Musik konzentrieren, zumal mit Stephen Gould ein Tannhäuser-Debüt anstand.
Der Amerikaner machte schon im ersten Aufzug klar, wo es lang geht: Mit ungeheurem Stimm-Material ausgestattet war vom ersten bis zum letzten Ton Power angesagt. Gould nahm die Partie fast mühelos und klang selbst nach der kraftraubenden Rom-Erzählung noch nicht matt. Eine Überraschung im positiven Sinne, und wenn der Sänger noch an Variationsfähigkeit und Stimmkultur gewinnt, darf man sich auf den Siegfried, den er 2006 auf dem Hügel singen wird, durchaus freuen.
Dagegen war die neue Venus, Judith Nemeth, eine Enttäuschung. Die Ortrud aus dem «Lohengrin» im Vorjahr klang weniger nach lockender Liebesgöttin, als nach einer aufgebrachten Göttergattin namens Fricka. Und ihr vibratoreicher Mezzo gewann im Laufe der Vorstellung noch an Schärfe. Ricarda Merbeth gab eine passable Elisabeth mit angenehm lyrisch gefärbtem Sopran, der jedoch nicht nur in den Höhen leicht in nervöses Flattern gerät. Einen etwas steifen Wolfram sang Roman Trekel, auch wenn er immer wieder von seiner Erfahrung als Liedsänger profitieren kann. Wirklich Herausragendes war unter den Sängern vor allem von Kwangchul Youn zu hören. Nach dem Titurel in der «Parsifal»-Premiere betörte er auch als Landgraf Hermann mit seinem sonoren, wunderbar warm timbrierten Bass.
Wohlklang strömte über weite Passagen aus dem Orchestergraben, wenngleich die von Christian Thielemann gewählten breiten Tempi nach Pierre Boulez\' schnellem «Parsifal» zunächst irritierten. Mitunter fehlte es tatsächlich an Spannung, und auch in der Koordination mit den Sängern gab es leichte Verschiebungen (etwa im zweiten Aufzug). Doch das Orchester schien im dritten Aufzug wieder zur richtigen Balance gefunden zu haben, lieferte die bekannte «Thielemann-Qualität» und wurde mit den formidablen Chören doch noch zum Rettungsanker einer sehr durchwachsenen Aufführung.
Christa Sigg