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Durchgefallen - Seelenpein vor roter Blümchentapete - Starregisseur Michael Thalheimer scheitert mit seiner ersten Operninszenierung
Berlin (ddp-bln). Aller Anfang ist schwer? Ja, das kann jetzt auch Michael Thalheimer, der von den großen Theatern umschwärmte Regisseur, bestätigen. Mit Leos Janaceks «Katja Kabanowa» legte der 39-Jährige am Samstagabend an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin seine erste Opernarbeit vor und wurde kompromisslos ausgebuht. Zu statisch ließ er die verzweifelte Katja agieren. Der zuletzt für seine Berliner «Faust»- und seine Hamburger «Lulu»-Inszenierung so gerühmte Regisseur fand keine Bilder für die Zerrissenheit und Seelenpein der Katja Kabanowa. Sänger und Orchester unter der Leitung von Julien Salemkour dagegen meisterten den Opernabend souverän.Noch vor der Premiere hatte Thalheimer in zahlreichen Interviews damit kokettiert, er gehe eher selten in Opern, höre auch privat lieber die Musik von Neil Young und dem düsteren Nick Cave. Und er glaube auch nicht, dass ein Opernregisseur die Notenschrift beherrschen müsse. Trotzdem hatte ihn die Staatsoper überreden können, sich an der Figur der Kabanowa zu versuchen, denn längst setzt man in diesem Haus auf große Namen aus anderen Sparten: Doris Dörrie ist sehr gefragt, in den nächsten Wochen folgen Opern-Erstlinge von Bernd Eichinger und Sasha Waltz. Oper für Quereinsteiger, Thalheimer inszenierte sie als Minimalismus-Theater mit Gesang.
Katja (Melanie Diener) und ihr Mann Tichon (Burkhard Fritz) sind ein Paar aus einer tristen Vorstadtsiedlung: in die Jahre gekommen, nachlässig geworden in Kleidung, Aufmerksamkeit und Gefühlen, schon etwas gemütlich-rundlich. In Routine ist sich das Paar zugewandt. Die Tristesse ihres Lebens spielt sich ab vor roter Blümchentapete, die die einzige Aussage des Bühnenbildes von Olaf Altmann darstellt. Dieser scheinbare Inbegriff von Spießigkeit ist es, der Katjas Leben immer mehr diktiert und sie schließlich aus dem Leben drängt und in den Tod treibt.
Katjas Ehe mit Tichon gleicht einer familiären Versklavung, denn Tichon, das jämmerliche Muttersöhnchen, steht unter der Fuchtel der tyrannischen Mutter Kabanicha (Ute Trekel-Burckhardt). Mit despotischen Moralvorstellungen versucht sie, ihre Schwiegertochter unter ihren Einfluss zu bekommen. Katja aber erinnert sich an Träume aus ihren Jugendtagen, wünscht sich ein Leben frei wie ein Vogel. Sie verliebt sich in einen anderen Mann und erlebt diese Liebe als kurzen Ausflug in diese andere, freie Welt. Doch Thalheimer lässt seine Katja auch diesen kurzen Blick aus der Dunkelheit ins Licht nur als reglos erstarrte, auf einem Stuhl sitzende Person erleben. Wie ein innerer Monolog spielt sich die Handlung auf nackter Bühne ab.
So wird auch das Treffen mit dem Liebhaber zu einem Desaster, denn Katja hat die Moralvorstellungen ihrer Schwiegermutter und der Blümchentapeten-Gesellschaft längst so verinnerlicht, dass sie von großen Schuldgefühlen geplagt wird. Schließlich klagt sie sich selber öffentlich wegen ihres Vergehens, ihrer Sehnsucht an. Nun kommt die große Stunde der Blümchentapete. Die Wand drängt Katja immer mehr aus dem Leben, aus der Gesellschaft und ihren herrschenden Normen, so dass sie sich schließlich das Leben nimmt. Effektvoll: Das Orchester fährt hoch aus seinem Graben, nimmt Katja auf und verschwindet wieder in der Tiefe.
Angelika Rausch
http://www.staatsoper-berlin.de