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Die Rezension: «Turandot» im Münchner Olympiastadion

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Erst als es dunkel wurde, entfaltete das größte Opernspektakel der Welt seinen Zauber. Denn der chinesische Star-Regisseur Zhang Yimou («Die rote Laterne») entführte die 27 000 Zuschauer am Samstagabend im Münchner Olympiastadion vor allem mit Hilfe von 1000 zum Teil computergesteuerten Scheinwerfern in die farbenprächtige Welt der Puccini-Oper «Turandot».

München (ddp-bay). Die Kulisse der «Verbotenen Stadt» in Peking in einem nicht näher bestimmten Jahrhundert auf der 170 Meter breiten Bühne blieb weitgehend starr, doch die Lampen am riesigen Lichtgerüst tauchten das Geschehen je nach Bedarf in warme Blau- und Lilatöne, in leuchtendes Rot und Gelb oder geheimnisvolle Grünschattierungen. Selbst am Zeltdach des Stadions waren Schweinwerfer angebracht, um von allen Seiten Farbeffekte zu erzeugen.

Auch der perfekte Klang des Opern-Orchesters aus Salerno unter Leitung von Stardirigent Janos Acs trug zur zauberhaften Atmosphäre bei. Und eine hochmoderne Ton-Anlage mit 50 Funkmikrofonen garantierte, dass auch im letzen Winkel des Stadions jeder Zuschauer eine Gänsehaut bekam, als Prinz Calaf (Nicola Martinucci) die weltberühmte Arie «Nessun dorma» in den Münchner Nachthimmel schmetterte. Auch die chinesische Prinzessin Turandot (Irina Gordei) und die Sklavin Liu («Yao Hong») füllten mit ihren Soli die Arena aus. «Nicht der kleinste Wackler in der Stimme vor so viel Publikum und einer solchen Kulisse - das ist eine unglaubliche Leistung», schwärmte Schauspieler Mario Adorf, der im Publikum saß. «Gerade über diese Distanzen ist es schwer, das Publikum zu erreichen. Doch allein die eindrucksvolle Dekoration hat hier das Stadion ausgefüllt», freute sich Adorf.

Die Geschichte von «Turandot» ist schnell erzählt: Die gleichnamige chinesische Prinzessin will denjenigen zum Mann nehmen, der die von ihr aufgestellten drei Rätsel löst. Jeder, der sie nicht löst, wird hingerichtet. Prinz Calaf, der unsterblich in Turandot verliebt ist, beantwortet die Fragen, doch sie will ihn trotzdem nicht heiraten. Er entbindet Turandot von ihrem Gelöbnis und gibt ihr ebenfalls ein Rätsel auf: Wenn sie seinen Namen vor Sonnenaufgang erfahre, werde er ihr Todesurteil akzeptieren. Doch schließlich weckt er mit einem Kuss die Gefühle der zu eiskalter Härte erstarrten Prinzessin, und sie verschont ihn.

Filmregisseur Zhang Yimou konzentrierte sich bei der Inszenierung darauf, die wichtigsten Elemente dieser Handlung in Szene zu setzen. Ihm gelang die richtige Mischung aus imposantem, farbenprächtigem Spektakel mit Hunderten Tänzern und Sängern - insgesamt wirkten 580 Menschen mit - und bewegenden stillen Momenten. Er zeigte den Zuschauern ein China der aufwändigen Seidenkostüme, der
originalgetreuen chinesischen Trommeln, der Sänften, der Verzierungen in Rot und Blattgold und der maskenhaft-weiß geschminkten Gesichter.

Die einzelnen Figuren wirkten zum Teil allerdings etwas verloren in der gigantischen Opernkulisse. Um die Nuancen der Handlung zu verfolgen, mussten die Zuschauer aufgrund der Entfernung auf die Großleinwände links und rechts der Bühne ausweichen, wo auch der deutsche Text mitgelesen werden konnte. Im überwältigenden Gesamteindruck aber eine eher kleine Einschränkung - der Applaus wollte kein Ende nehmen, nachdem um 23.30 Uhr die letzten Töne verklungen waren.

Regisseur Zhang Yimou übte sich zwar in chinesischer Zurückhaltung, betonte aber, wie glücklich er darüber sei, dass das Wetter gehalten habe. «Wir haben mit etwas anderem gerechnet und uns Sorgen gemacht», gab Yimou zu, der die Aufführung vom Kontroll-Pult aus verfolgt hatte. Dass die Produktion immer wieder auf andere Verhältnisse stoße, sei seine Herausforderung. In der Arena «AufSchalke» in Gelsenkirchen, wo «Turandot» am 9. Juli den zweiten Deutschland-Termin hat, wird die Bühne knapp 30 Meter kleiner sein als in München. «Aber ich habe ein hochprofessionelles Team, das sehr hart arbeitet und immer das bestmögliche Ergebnis erreicht», betonte Yimou. Ein kleines Geheimnis ließ er sich dann doch noch entlocken: Es habe ihm gut gefallen in München und er habe vor, im nächsten Jahr wieder zu kommen.

Anja Daeschler

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