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Sie kam, sang und siegte - Die Mezzo-Sopranistin Cecilia Bartoli präsentierte bei der RuhrTriennale seltene Barock-Perlen
Bochum (ddp-nrw). Der Wiener Burgschauspieler Peter Simonischek ist eine Hüne von Mann, der selbst die gesamte Freiluftbühne der Salzburger Festspiele ausfüllen und dominieren kann. Als Ersatzmann für Schauspieler-Kollege Armin Müller-Stahl, der kurzfristig seinen Auftritt bei der RuhrTriennale absagen musste, entpuppte sich Simonischek aber nur als zweite Wahl. Nicht nur, weil er bei den Rezitationen der Gedichte von Barock bis Rilke zur Marmor-Säule erstarrte. Gegen den ungebremsten Energiestrom und die atemberaubende Virtuosität, mit der das römische Goldkehlchen Cecilia Bartoli jeden um den Finger wickelt, stand Simonischek auf verlorenem Posten.So wurde das RuhrTriennale-Projekt «Un Viaggio Nel Barocco Italiano» am Sonntagabend in der ausverkauften Jahrhunderthalle in Bochum zur einzigen One-Woman-Show. Und nach etwa drei Stunden ließ das Publikum die weltweit gefeierte Mezzo-Sopranistin lautstark hochleben.
Als Dialog zwischen Musik und Literatur war «Un Viaggio Nel Barocco Italiano» angedacht. Als eine Reise zurück ins Rom des frühen 18. Jahrhunderts, wo per päpstlichem Dekret die weltliche Oper für zehn Jahre aus dem Musikbetrieb verbannt worden war. Cecilia Bartoli präsentierte aber eine Arien-Auswahl von drei Barock-Meistern, die in ihren Oratorien nicht nur Barmherzigkeit und Erlösung besangen, sondern darin irdische Opern-Themen wie Leidenschaft und Liebe hoch virtuos versteckten.
Insgesamt waren es 13 Arien aus den Federn von Alessandro Scarlatti, Antonio Caldara und Georg Friedrich Händel, bei denen die Bartoli ihre Stimmbänder mühelos heißlaufen und ihrem feurigen Temperament freien Lauf lassen konnte. Dank auch dem Orchestra La Scintilla des Opernhauses Zürich, das sich auf den historischen Instrumenten als leistungsstarker und wendiger Partner entpuppte.
Wie schon bei ihren Wiederentdeckungen der Arien-Kunst eines Antonio Vivaldi und eines Antonio Salieri gelang es Cecilia Bartoli nun, selbst die eher vergessenen Vokal-Perlen glanzvoll aufzupolieren. Und dies mit allem, was das Phänomen «Bartoli» ausmacht. Mit ihrer makellosen Technik zieht sie in Scarlattis «Qui resta... LAlta Roma» rasante Koloraturketten auf, werden sie nebenbei noch mit Verzierungen gespickt. Und während Bartoli sich dabei mit aufgerissenen Augen und wallender Mähne mit so mancher Solo-Violine duelliert, verwandelt sie sich in eine Stimm-Schauspielerin, die allem Seelenleid auf den Grund geht. Dass Bartoli seufzt und säuselt, in dem Händel-Hit «Lascia la spina» fast eine Träne verdrückt, gehört zu ihrer Sinnlichkeit dazu, wie sie es versteht, jeder Schwermut noch einen Hoffnungsschimmer zu verleihen. Allein in Caldaras Arie «Vanne pentita» ließ Bartoli einzelne Töne derart magisch im Raum stehen, dass die gesamte Jahrhunderthalle die Luft anhielt.
So genussvoll und bravourös Cecilia Bartoli das italienische Barock-Zeitalter inszenierte, so gerieten Peter Simonischeks Gedicht-Rezitationen zu bemüht kunstvoll gestalteten Zwischenakten. Kein Wunder, dass da schnell die Naturlyrik eines Matthias Claudius oder eines Johann Wolfgang Goethes gegen das leibhaftige Naturereignis Cecilia Bartoli verblassen musste.
Guido Fischer
http://www.ruhrtriennale.de