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Fette Beats, Turnschuhe und Vinyl - DJ-Weltmeisterschaft zum ersten Mal auf deutschem Boden - München wird Nabel der Turntable-Welt
München (ddp-bay). 4000 Turnschuhe, 2000 weite Hosen, tonnenweise Vinyl und Sätze, die grundsätzlich mit «Yo, Mann» aufhören. Richtig, es handelt sich um Hip-Hop. «Heute wird München zum Mittelpunkt der Turntable-Welt», schickt ein Moderator ins Publikum. Am Samstag wurde in der Münchner Muffathalle die DJ-Weltmeisterschaft ausgetragen zum ersten Mal auf deutschem Boden.Vor 2000 meist jugendlichen Hip-Hop-Begeisterten zeigten die besten DJs der Welt, wo die Nadel hängt. Angereist waren die Landeschampions aus den USA, Kanada, Japan und Europa. Insgesamt wurden vier Titel vergeben: in den Kategorien Scratching, Freestyle, Team und BeatJuggling.
Sven aus München ist 19, trägt die rote Baseballkappe seitlich versetzt und will irgendwann genauso flink die Regler bedienen wie seine Idole. Er steht an den Plattenspielern, die an einer Seite in der Haupthalle zum allgemeinen Üben und Ausprobieren aufgestellt wurden. Blitzschnell schiebt er die Platte auf dem linken Plattenteller vor und zurück, während er mit der rechten Hand die Regler am Mischpult im Takt von links nach rechts bewegt.
Beim Scratching läuft auf Plattenspieler Nummer eins ein Beat, während auf dem zweiten Turntable die Platte rhythmisch hin und her geschoben wird. BeatJuggling dagegen sei die Kunst zwei Beats ineinander laufen zu lassen, um so einen neuen Rhythmus entstehen zu lassen, erklärt Sven und stürmt zeitgleich Richtung Bühne.
Der erste Wettbewerb hat angefangen. Immer zwei DJs treten beim Scratching gegeneinander an. Jeweils zwei mal drei Minuten haben sie Zeit, um die sechsköpfige Jury zu überzeugen. Alle Juroren sind ehemalige Weltmeister. Bewertet werden unter anderem Originalität, Genauigkeit und Technik. Unter großem Jubel des Publikums in Form von «Yes, Alter» oder «fett» wird jede tollkühne Tonerzeugung gewürdigt.
Zwischen den Kategorien treten verschiedene Showacts auf. Zum Beispiel der deutsch-amerikanische Rapper Da Germ aus Frankfurt, der als Cyborg verkleidet seinen Sprechgesang zum Besten gibt. Außerdem gibt es auf dem Boden wirbelnde Breakdancer zu bewundern und Beatboxer die Kunst Beats nur mit dem Mund und einem Mikrophon zu erzeugen. In einem Nebenraum findet zu chilligen Sounds eine Plattenbörse statt, an mehreren Spieleterminals kann ein neues Playstation-Spiel ausprobiert werden. Backstage lümmeln sich die DJs vor ihren Auftritten in gemütlichen Sesseln, die den Entspannung-Suchenden zu verschlucken drohen. Zwei DJs verabschieden sich mit den Worten: «See you on stage».
Und on stage gibt es einiges zu sehen. Besonders der Team-Wettbewerb ist beeindruckend. Bis zu vier Plattenbändiger an acht Turntables sorgen gleichzeitig für Sound. Die Gewinner stehen erst tief in der Nacht fest. Die Kategorien Scratching und Team gehen ins Mutterland der Bewegung: Ersterer an den US-Amerikaner I-Emerge, der Team-Preis an die Nocturnal Sound Crew aus Hawaii. Der beste Beatjuggler 2002 ist DJ Trouble aus Frankreich. Den Freestyle oder Advancement-Wettbewerb gewinnt DJ Kodh, ebenfalls aus Frankreich. Der einzige deutsche Teilnehmer DJ Kid Fresh landet in derselben Kategorie auf Platz sechs.
Zu gewinnen gibt es neben Ruhm und Ehre Plattenspieler, Mixer und Baseballjacken. Sven ist am Ende des Abends begeistert. Von der Stimmung, den Leute und der Show. Zuhause wird er wieder stundenlang unter dem großen Kopfhörer verschwinden und üben. Nächstes Jahr will er wieder dabei sein, wenn die Weltmeisterschaft in Frankreich stattfindet. Und irgendwann möchte er natürlich selber oben stehen und ein Jahr lang als bester DJ der Welt gelten.
Marc Mühldorfer