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Bochum (dpa) - Die Zweit-Aufführung des Fußballoratoriums «Die Tiefe des Raumes» in Bochum konnte das Publikum diesmal nicht im Sturmlauf erobern, feierte aber mit langem Beifall einen eindrucksvollen Sieg.
Das Klappern von Stollenschuhen im Kabinengang, johlende Chormitglieder mit Fanschals, kullernde Dosen, durch die Luft pfeifende Luftballons, Signalhörner und Gesang durchs Megafon: Das von Moritz Eggert komponierte und von Michael Klaus mit Ironie, Witz und distanzierter Begeisterung geschriebene Auftragswerk der RuhrTriennale war auch ein musikalisches Dribbling zwischen barocker Klassik, Neuer Musik und unterhaltsamen Versatzstücken aus Oper sowie Musical.Statt Heiligenfiguren oder dem Messias zu huldigen, geht es im Fußballoratorium um die Anbetung der Ballkunst und ihrer Stars, es geht um die Rituale und das Triviale: Um Fußball als Ersatzreligion. «Der Ball, dieser Globus, ist das Modell der Welt, die dem Vergnügen geweiht ist...Oh, Spiel, Abbild der Wahrheit. Fußball ist unser Leben...», singt der hervorragende Chor der RuhrTriennale, den Walter Zeh bestens auf diese ungewöhnliche Aufgabe eingestimmt hat. Gleiches gilt für die Bochumer Symphoniker unter der Leitung von Steven Sloane, die die Gratwanderung zwischen Pathos und Posse bravourös meisterten.
Erzählt wird in den zwei Halbzeiten á 45 Minuten die Geschichte eines typischen Fußballers, der sich vom Bolzplatz um die Ecke bis in die Bundesliga kickt. Am Hals hat er dabei die um sein Wohl streitenden Tugend und Laster, mit Engagement und Enthusiasmus gesungen von Claudia Barainsky und Ursula Hesse von den Steinen. In der Rolle des Spielers war der Tenor Corby Welch zu hören, der mit gleicher Ernsthaftigkeit («Ich muss meinen Laufstil verbessern») sang wie in einer Oper über Liebe, Herzschmerz und Tod.
Das Fußballoratorium, das ein Beitrag zum Kulturprogramm der Weltmeisterschaft 2006 ist und im kommenden Jahr am Endspieltag (9. Juli) gleich zwei Mal in der Komischen Oper in Berlin aufgeführt werden soll, wird gespeist von Schlachtengesängen, Profikarrieren, Rundfunkreportagen, Sprüchen von Spielern und Trainern - wie dem Monolog des Ex-Chefcoaches von Bayern München, Giovanni Trapattoni («Schwach wie eine Flasche leer»).
«Ob ich die Titanic gerettet hätte, weiß ich nicht. Jedenfalls wären die Überlebenden gut in Form gewesen», sagte der Trainer, dessen Rolle der Schauspieler Joachim Król übernahm. Mitgewirkt haben auch seine Kollegen Peter Lohmeyer als Alt-Internationaler («Wunder von Bern») und Christoph Bantzer als Reporter. Das prominente Trio blieb aber mit kleinen Einsätzen weitgehend im Hintergrund.
Im Vordergrund steht der Fußball mit seinen Anekdoten und Phänomenen: Die Selbst-Einwechslung von Günter Netzer, das Lamento über Schiedsrichter und Niederlagen. Auch das Geld («Wie sieht unser Sturm denn aus? Auf links der DAX, von rechts Dow Jones»), der Sex, das Machogehabe der Männer fehlen in dem Oratorium nicht. Der Rote Faden jedoch ist die unerklärbare Leidenschaft für den Fußball, die den kleinen Mann mit dem Künstler oder Intellektuellen vereint. «Wer oder was kann da noch helfen?», fragt der Journalist und stellt fest: «Das sind Gefühle, wo man nur schwer beschreiben kann.»
Siehe auch: http://www.nmz.de/kiz/modules.php?op=modload&name=News&file=article&sid…