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Gelungener Start der Lindenberg-Musikrevue "Atlantic Affairs"

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Die Premiere der Musikrevue "Atlantic Affairs" im Bremerhavener Stadttheater am Sonntag war ein voller Erfolg. Mehr als zwei Stunden sangen, tobten und rezitierten sich Lindenberg und Co durch die musikalischen und literarischen Hinterlassenschaften der deutschsprachigen Emigration.

Bremerhaven (ddp-nrd). Udo hat es geschafft. Die Bude dröhnt aus allen Fugen, die Wogen der Begeisterung schlagen über der Bühne zusammen und Udo Lindenberg, der Altrocker und Hutträger mit dem sorgsam gehegten Udo-Sprech steht völlig alle aber glücklich im Scheinwerferlicht: Die Premiere der Musikrevue "Atlantic Affairs" im Bremerhavener Stadttheater am Sonntag ist ein voller Erfolg.

Der Ort ist mit Bedacht gewählt. Über den heute eher verschlafenen Bremer Tiefwasserhafen verließen zwischen 1850 und 1939 Millionen Menschen ihre Heimat in Richtung Amerika. Viele wollten gehen. Nicht wenige mussten ab 1933 unfreiwillig die Koffer packen. Einige der Bündel werden von Lindenberg und Crew wieder aufgeschnürt während einer imaginären transatlantischen Überfahrt von New York nach Bremerhaven an Bord der "Queen Eilisabeth 2".

Mehr als zwei Stunden singen, toben und rezitieren sich "Lindi" und Co durch die musikalischen und literarischen Hinterlassenschaften der deutschsprachigen Emigration. Und erstaunlicherweise schafft es der Panikrocker, sich geschickt durch die Sandbänke von Kitsch und betroffenheitstriefender Vergangenheitsbewältigung zu lavieren.

Das ist sicherlich auch ein Verdienst des großen Otto Sander. Der "Chefsteward" der "QE2" hatte Duzfreund Udo nicht nur bei der Textauswahl unterstützt. Zigarettenrauch umnebelt beobachtet Sander hinter der praktischerweise ins Bühnenbild eingebauten Schiffsbar das Spektakel und sorgt mit sparsam eingestreuten Textvorträgen wie Brechts "Über die Bezeichnung Emigration" für die stillen Momente der Passage. Übertroffen noch von Tim Fischers intensiver Interpretation des Gedichts der 1943 in Auschwitz vergasten Ilse Weber "Ein Koffer spricht". Zwar sind auch sonst ruhige Stücke eingebaut. "Die Prinzen" geben in Smoking und Fliege eine Neuauflage der "Comedian Harmonists". Das holländische Multitalent Ellen ten Damme singt das bekannte "Lili Marleen", Lindenberg kramt "Ich hab\' noch einen Koffer in Berlin" hervor und lässt Paul Abrahams "Bin nur ein Johnny" mit leisen Tönen wieder auferstehen.

Ansonsten begibt sich das multimediale Projekt "Atlantic Affairs", das von CD, Internetauftritt und einem Film von Hark Bohm begleitet wird, gerne in kabbelige Wasser. Ellen ten Damme bricht mit der wilden Erotik des Working Girl über die Bühne herein wie eine Sturzsee und bringt nicht nur Udo und seine leicht angegrauten Panikrocker sichtlich zum Schwitzen. Nur schwer können Lindenbergs andere stimmliche Begleiterinnen Nathalie Dorra und Nachwuchssternchen Yvonne Catterfeld mit ten Dammes Mähnen- und Dekolletégeschüttel. "Father, you should have killed Hitler" stürmt das Wissen der Nachkommengeneration vorwurfsvoll über die Zuschauerschar hinweg. Im Hintergrund blinken auf der Projektionsfläche dekorative Hakenkreuze im Technobeat, unterbrochen von Einspielern mit dem grüßenden Führer.

"Super, super, super", schwärmt Petra Ippich am Ende der Veranstaltung. Die Hausfrau ("Grundsätzlich bin ich kein Lindenberg-Fan") ist schwer begeistert. "Da stimmte einfach alles", sagt die Bremerhavenerin. Ihre gleichfalls mit Autogramm verziertem Programmheft ausgerüstete Freundin Barbara Schmidt stimmt in den Lobgesang auf die "ganze Inszenierung" ein. Schade nur, dass das kleine Bremerhavener Stadttheater mit Sitzen ausgestattet ist. "Denn eigentlich willst du nicht sitzen", sagt Petra Ippich. Doch am Ende reißt Lindenberg mit den Zugaben seiner bekanntesten Stücke zwischen "Andrea Doria" und "Sonderzug" die Zuschauer doch noch von den Stühlen und zu frentischem Beifall hin. Er kann es immer noch. Udo hat das Haus gerockt. "Atlantic Affairs" soll vom Heimathafen Bremerhaven aus demnächst zwischen Shanghai und Berlin auf Weltreise gehen.

(Internet www.atlanticaffairs.com.)
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