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Grell und exzessiv - Die Entwicklung des deutschen Punk

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Wild rasierte, grell gefärbte Haare und Müllsäcke, die als Klamotten oder Klamottenteile dienten - so begannen Punks Ende der 70er Jahre, die Fußgängerzonen zu prägen. Wo auch immer Punks Konzerte improvisierten, galt der Grundsatz "No more heroes".

Düsseldorf (ddp). Viele Jugendliche und Studenten verarmten optisch bewusst, denn es galt, sich von allem und jedem abzugrenzen. Der permanente Ausnahmezustand spiegelte sich am deutlichsten in der rabiaten und exzessiven Musik wider: Ihre Epizentren wie das SO 36 in Berlin-Kreuzberg, die Hamburger Markthalle oder der Ratinger Hof in Düsseldorf waren deshalb regelmäßig Austragungsort von Massenschlägereien, wobei der Übergang zum Tanzstil Pogo fließend war.

Wo auch immer Punks Konzerte improvisierten, galt der Grundsatz "No more heroes". Jeder konnte sich auf die Bühne stellen und Lärm in zweieinhalbminütigen Dosen machen, nicht selten fanden Bands erst auf der Bühne zusammen. Zu den populärsten Truppen zählten die Düsseldorfer Punkbands Male und Charlies Girls oder TV Age und Suicide aus Köln.

In Hamburg prägten vor allem Slime das Bild. Ihre Stücke "Bullenschweine" und "Deutschland muss sterben" waren die ersten indizierten Songs der Szene, ihr Label "Rip off" stellvertretend für zahlreiche kleine Plattenfirmen, die Bands gründeten, um ihre Platten zu veröffentlichen und sich zugleich der Industrie zu verweigern. Die bekanntesten sind "No fun", AGR, ZickZack sowie "Schlecht und schwindelig".

Schnell differenzierte sich die Bewegung in unterschiedliche stilistische Richtungen: Die Einstürzenden Neubauten pflegten das Extrem, ohne festes Instrumentarium, ohne feste Stücke und ohne feste Texte aufzutreten. Sie improvisieren ihre körperlich anstrengenden Klangwelten auf Fundstücken industrieller Produktion. Die Deutsch-amerikanische Freundschaft (DAF) hingegen galt wegen ihrer elektrischen Einflüsse als wichtigster Musik-Export neben Kraftwerk. Spielereien auf primitivsten Computern und selbstgebastelten Elektroinstrumenten fanden sich aber auch bei Mittagspause, Der Plan und Abwärts, was dann in New Wave mündete.

Schließlich feierten zum Ende der Gründerphase die ersten Fun-Punkbands wie ZK Erfolge, die mehr und mehr zum Rezept avancierten. So veröffentlichte das Berliner Trio Die Ärzte zu ihrem Livealbum eine Platte nur mit witzigen Sprüchen. Die "Opel-Gang" Tote Hosen aus Düsseldorf pflegte das Image der "beschissenst gekleideten Band" (Sänger Campino).

Christian Herrendorf
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