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«Heimweh» in Weimar - Das „Kunstfest“ zwischen Tradition und Mobilität

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Weimar (ddp). Das Weimarer Kunstfest begibt sich auf Wanderschaft. «Pelerinages» (Wanderschaft, unterwegs sein) ist der neue Name des Festivals, das am Freitag in seiner 15. Auflage startet. Neu ist auch das Logo, ein Koffer. Der steht für prallen Inhalt ebenso wie er Unterwegssein, Heimatlosigkeit angesichts heutiger Mobilität und mitgeschleifte Traditionen symbolisiert. Und weil, wer sich in die Welt begibt, irgendwann auch einmal das Zuhause vermisst, gibt «Heimweh» den bevorstehenden vier Festwochen als Motto Kontur.

Mit beiden Begriffen knüpft Intendantin Nike Wagner an den Titel eines Klavierzyklus\' ihres Ur-Ur-Großvaters Franz Liszt (1811-1886)an. Den Urgroßvater hat die Kunstwissenschaftlerin zum geistigen Vater des Festes, zur Quelle der Inspiration erhoben - ohne die «pelerinages» zu einem reinen Liszt-Festival zu erheben. Schließlich war er es einst, der die musikalische Avantgarde seiner Zeit nach Weimar holte und die Stadt in ihrem «Silbernen Zeitalter» mit Meistern wie Berlioz und Wagner zu einem musikalischen Zentrum europäischen Ranges machte.
Genau das sind auch die Absichten seiner Nachfahrin, die zum einen an das kulturelle Erbe Weimars anknüpfen will, wohl wissend, dass «Tradition kein Ruheplätzchen ist, sondern etwas, was man ständig neu gestalten muss». Zum andern bietet sie den Künsten der Gegenwart bis hin zu den Neuen Medien eine Bühne. Beides zusammengenommen, hat sie das Kunstfest im Grunde neu definiert. Im Kern wird die Musik stehen. «Das dichterische Weimar wird es schon verkraften», sagt Nike Wagner. «Tradition live» nennt sie das.
Natürlich geht es nicht ohne Liszt, dessen Musik es im Original ebenso geben wird wie in zeitgenössischen Adaptionen und Reflexionen bis hin zum multimedialen Spektakel. Dazu gehören auch zwei Uraufführungen von Friedrich Schenker und Steffen Schleiermacher durch die «junge philharmonie thüringen». Während es in den ersten beiden Festivalwochen «bunt, jung, experimentell und zuweilen schräg» zugehen soll, bestimmt der ungarische Star-Pianist Andras Schiff als «Artist in Residence» - eine weitere Neuigkeit des Festivals - das musikalische Geschehen. Gemeinsam mit seiner «Cappella Andrea Barca» will er Weimar solistisch, kammermusikalisch und sinfonisch zur musikalischen Weltbühne machen.
«Heimweh» hat indes bei diesen «pelerinages» noch weitere Facetten. Heiner Goebbels etwa wagt mit seinem Musiktheater «Eislermaterial» das Heimweh nach dem idealen Sozialismus, während das Ensemble Recherche dem Heimweh in der Musik der Hitler-Emigranten nachspürt. Auch das Auftragswerk «Johnny Jihad» von Marc Pommerening, die paradoxe Geschichte des amerikanischen Taliban John Walker Lindh, ordnet sich dort ein - und nicht zuletzt das «Gedächtnis Buchenwald», ein Konzert, das künftig alljährlich das Kunstfest eröffnen soll. Nicht zu vergessen ist die große Ausstellung «Kunst der Weimarer Republik», mit der mehr als 50 Gemälde sowie eine Vielzahl Fotografien, Grafiken und Plakate der 1920er Jahre aus der Berliner Nationalgalerie nach Weimar kommen. http://www.kunstfest-weimar.de

Die wichtigsten Programm-Bausteine des Kunstfestes Weimar 2004 Weimar (ddp). Das Kunstfest Weimar bietet 2004 Musik, Theater, Tanz und Ausstellungen sowie literarische und cineastische Programme. Im Mittelpunkt steht die Musik. «Artist in Residence» ist der ungarische Pianist Andras Schiff mit seinem Kammerorchester «Cappella Andrea Barca», das vom 5. bis 19. September in Weimar gastiert. Schiff musiziert mit verschiedenen Gästen, etwa Tenor Peter Schreier und Sopranistin Juliane Banse, Cellist Miklos Perenyi, Violinist Christoph Poppen und Akkordeonist Teodore Anzellotti. Erklingen werden unter anderem Werke von Beethoven, Schumann, Mozart, Bartok und Janacek.
Weitere musikalische Angebote sind: «Gedächtnis Buchenwald» (20.8., Weimarhalle), Heiner Goebbels «Eislermaterial» (25./26.8., Nationaltheater), «Stimmen der Emigranten» (27.8., e-werk), «Lange Nacht mit Liszt» (3.9., Musikgymnasium), Joshua Rifkin und das Bach Ensemble (2.,4.9., Herderkirche) Theater: Uraufführung «Johnnys Jihad» von Marc Pommerening (9.-11.9., e-werk), Uraufführung «Even if you return, Ulysses» nach Texten verschiedener Autoren (17./18.9., e-werk)
Tanz: Tanz Company Gervasi «7x7 Chaos und Ordnung» (29.8., Nationaltheater), Ballett Frankfurt «Infinite Temporal Series» (10./11.9., Weimarhalle)
Ausstellungen: «Kunst der Weimarer Republik» (21.8. bis 24.10., Neues Museum), «Zeitversetzt. Ettersburger Klangbildträume» (22.8. bis 19.9., Schloss Ettersburg), «Xenia Hausner - femd» (27.8. bis 3.10., Kunsthalle Weimar)
Literatur: Lesung «Unterhaltungen deutscher Ausgewanderter» (8.8., Orangerie), «Wo liegt Weimar? - Im Gespräch mit Durs Grünbein» (19.9., Kubus)
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