Hauptrubrik
Banner Full-Size

Heinz Rudolf Kunzes neues Album «Rückenwind»

Publikationsdatum
Body

Der 46-jährige Sänger, Dichter, Essayist und Musical-Übersetzter Heinz Rudolf Kunze hat sein 17. Studioalbum «Rückenwind» genannt. Anders als in seinen sonst so kritischen und kryptischen Texten vermittelt Kunze diesmal eine kraftvoll optimistische Stimmung.

Hamburg (ddp). Beeinfluss von einem neuen Produzenten und einer jungen Band weht bei Kunze offenbar eine frische Brise. Vor der Veröffentlichung von «Rückenwind» am 31. März sowie der Singleauskoppelung «Mach auf» am 3. März sprach ddp-Korrespondent Alexander Wack mit dem Multitalent Kunze über Musik, Deutschland und deutsche Texte.

ddp: Gibt es jetzt einen neuen Heinz Rudolf Kunze?

Kunze: Wie meinen Sie das? Ich bin jetzt schon seit 22 Alben dabei und habe 1981 mein erstes aufgenommen. Im Grundsatz natürlich nicht. Man kann nach so langer Zeit einen Menschen nicht völlig umkrempeln und nicht völlig neu erfinden. Aber ich hoffe, dass ich einige Dinge hier auf dem Album tue, die man so von mir wenigstens noch nicht kannte. Insgesamt glaube ich nicht, dass irgendjemand, der heutzutage Musik macht, die Musik noch mal ganz neu erfinden kann.

ddp: Wie charakterisieren Sie die Musik auf Ihrem neuen Album?

Kunze: Tja, ich denke, dass sie sehr unterschiedlich ausgefallen ist. Es geht los mit einem Gitarreneinsatz, der von Angus Young sein könnte. Es hört auf mit einem Orchesterstück. Und zwischendurch gibt es Dinge, die wahrscheinlich nur dadurch zu erklären sind, wie meine junge Band eben so aufgewachsen ist. Das sind Leute, die haben nicht wie ich die Vorbilder Kinks und Who, sondern U2 und REM.

ddp: «Rückenwind» klingt sehr optimistisch. Wollen Sie damit gegen die schlechte Grundstimmung in Deutschland angehen?

Kunze: Ich freu\' mich, wenn Sie das so sagen. Denn normalerweise wird mir vorgeworfen, dass man bei meinen Platten immer einen Strick und ne\' Pistole beilegen sollte.

ddp: ...deswegen ja auch die Frage, ob es einen neuen Kunze gibt...

Kunze: Ja, wenn das bei Ihnen so ankommt, freut mich das sehr. Natürlich bemüht man sich heutzutage, was dagegen zu halten. Einfach sone Art Privat-Gospel zu erzeugen. Sich selber auch zum großen Denken zu überreden. Denn die Laune ist so schlecht und die Befindlichkeit so trist in diesem Land, dass es wenig Spaß und Sinn macht, in diese Kerbe noch weiter reinzuhauen.

ddp: Was empfinden Sie für Deutschland?

Kunze: Also, ich schlage mich schon damit sehr herum, was an meiner Biografie sicherlich liegt. Ich bin Sohn eines SS-Mannes, bin eigentlich Ostdeutscher, mit meinen Eltern dann im Westen gelandet. Ich habe also auch die gespaltene deutsche Situation der letzten Jahrzehnte am eigenen Leib erfahren, weil praktisch alle meine Verwandten im Osten wohnten und wir als einzige Kunzes im Westen. Insofern war mir meine so genannte Heimat nie egal. Es ist eine sehr schwierige Heimat, ein sehr schwieriges Land.

ddp: Was ist so schwierig?

Kunze: Schwierig ist in Deutschland der lange Schatten, den Hitler immer noch wirft. Diese deutsche Krankheit, an sich selbst zu zweifeln, sich selber zu hassen, sich selber immer schlecht zu finden. Diese Bußleidenschaft, das ist schon sehr verkrüppelt.

ddp: Sie gelten als Verfechter deutscher Liedtexte. Hat das denn hierzulande Erfolg?

Kunze: Doch! Ich würde schon sagen, dass seit den ersten Tagen, als Udo (Lindenberg) angefangen hat, so etwas hier möglich zu machen, sich doch \'ne Menge bewegt hat. Erst nach der Neuen Deutschen Welle und der so genannten Deutsch-Rock Epoche, in die ich ja wohl gehöre, hat mit diesen Hip-Hopern doch jetzt eine sehr breite Strömung stattgefunden, mit einer Hinwendung zur eigenen Sprache, die ganz locker und ganz selbstverständlich endlich mal kommt. Das freut mich auch sehr! Und unsere Sprache eignet sich einfach für Rap und Hip-Hop, denn Deutsch ist sehr rhythmisch, sehr eckig und kantig und nicht so weich wie die mediterranen Sprachen. Aber Rap ist nun mal nicht mein Lebensgefühl. Da fange ich nicht so an zu zucken, dass ich das auch tun muss.

ddp: Ist das Wort Ihr wichtigstes Medium?

Kunze: Es ist vielleicht das, was mir am leichtesten fällt. Ich glaube nicht, dass ich auf Dauer glücklich geworden wäre, wenn ich nur Autor wäre. Ich wollte schon nicht nur aus Gründen des Erfolgs Musik machen, sondern weil es mir sehr wichtig war.
Musikgenre