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«Ich bin nicht so cool wie mein Vater» - Katharina Wagner spürt großen Erwartungsdruck vor Regiedebüt bei Bayreuther Festspielen
Bayreuth (ddp-bay). Sie ist jung, blond und selbstbewusst: Katharina Wagner, die jüngste Tochter von Festspielchef Wolfgang Wagner, traut sich zu, ihren Vater auf dem Grünen Hügel in Bayreuth zu beerben. Das hat die 29-Jährige mehrfach bekundet. Am 25. Juli gibt sie mit den «Meistersingern von Nürnberg» ihr Regiedebüt bei den Bayreuther Festspielen. ddp-Korrespondentin Christa Sigg sprach mit Katharina Wagner kurz vor Eröffnung der Festspiele.
ddp: Am 25. Juli hat Ihre Inszenierung der «Meistersinger» Premiere. Hätten Sie nicht lieber mit einem anderen Werk in Bayreuth debütiert?
Wagner: Nein, die «Meistersinger» kenne ich besonders gut, zu diesem Werk habe ich auch etwas zu sagen. Sonst würde ich es nicht machen.
ddp: Ihr Vater hat just mit den «Meistersingern» aufgehört, Regie zu führen. Wie stehen Sie zu dieser Inszenierung? Die kam ja eher harmlos daher.
Wagner: Ja, aber das kann man nicht vergleichen. Mein Vater und ich haben ganz unterschiedliche Auffassungen. Dennoch: Was das Handwerk betrifft, habe ich unheimlich viel von ihm gelernt. Zum Beispiel wie man mit Sängern umgeht und diese auf der Bühne positioniert.
ddp: So ganz unproblematisch sind die «Meistersinger» ja nicht. Das NS-Regime hat sich mit dieser Oper gefeiert...
Wagner: Stimmt schon, an einem Ort wie Bayreuth muss man das mit einbeziehen. Allerdings ändert sich ja auch der Blick auf ein Werk im Laufe der Zeit. Und mich interessiert bei den «Meistersingern» ein ganz aktueller Blick. Sicher werde ich nicht die klassischen Erwartungen bedienen - das ist klar.
ddp: Wie darf man sich das vorstellen?
Wagner: Ich deute das Werk ideologiekritisch. In den «Meistersingern» wird eine Diskussion über Kunst geführt, über Tradition und Fortschritt. Nürnberg, das ist für mich eine geistige Haltung, die für die Tradition steht.
ddp: Nicht erst seit Adorno werden die «Meistersinger» immer wieder mit dem Antisemitismus in Verbindung gebracht. Für Adorno war Beckmesser - der unsympathische Verlierer - eine Judenkarikatur.
Wagner: Gerade bei Beckmesser gibt es ja so viele Interpretationen, unter anderen die von Ernst Bloch. Der nähere ich mich sehr an. Den Beckmesser nehme ich also sehr ernst, das ist ja auch musikalisch begründet.
ddp: Ärgert es Sie nicht, dass Ihr Können als Regisseurin mit dem der Intendantin gleichgesetzt wird und der Erfolg Ihrer «Meistersinger» quasi zur Voraussetzung für die Leitung der Festspiele wurde?
Wagner: Das ist völlig absurd. Aber daran kann man nichts ändern, damit muss ich klar kommen.
ddp: Sie haben ja mehrfach bekundet, die Festspiele gerne zu übernehmen, wenn die Bedingungen stimmen. Was wären das für Bedingungen?
Wagner: Die Qualität der Festspiele hat für mich Priorität. Das Besondere an Bayreuth muss erhalten bleiben, die ganz besondere Atmosphäre, die Arbeitsbedingungen.
ddp: Was würden Sie beibehalten, was würden Sie ändern?
Wagner: Wie gesagt, die Qualität muss erhalten bleiben. Aber ich könnte mir etwa bei der Orchesterbesetzung verschiedene Varianten vorstellen.
ddp: Denken Sie an ein ständiges Orchester?
Wagner: Nein, das meine ich nicht. Eher neue musikalische Ansätze, neue Dirigenten.
ddp: Die Originalklang-Spezialisten arbeiten sich zu Wagner vor. Bruno Weil hat den «Holländer» auf Originalinstrumenten aufgenommen. Wäre das ein Thema für Bayreuth?
Wagner: Durchaus. Aber nicht generell, sondern eher für ausgewählte Produktionen.
ddp: Könnte sich das Repertoire ausweiten, etwa durch Wagners Frühwerk oder sogar andere Komponisten?
Wagner: Wagners Frühwerk könnte ich mir vorstellen. Für andere Komponisten müsste erst die Satzung geändert werden. Und es bestünde die Gefahr, dass das Besondere dieser Festspiele verloren ginge.
ddp: Könnte man Bayreuth nicht trotzdem besser vermarkten?
Wagner: Natürlich darf man den Mythos Bayreuth nicht kaputt machen. Aber wenn eine Produktion abgespielt ist, könnte man zum Beispiel eine DVD herausbringen.
ddp: Stichwort Doppelführung: Könnten Sie sich vorstellen, die Festspiele im Team mit Ihrer Cousine Nike oder Ihrer Halbschwester Eva zu leiten?
Wagner: Es müsste natürlich irgendwie zusammenpassen, aber grundsätzlich bin ich für alles offen.
ddp: Man liest immer, Sie seien sich spinnefeind. Begegnen sie sich nicht bei Premieren?
Wagner: Natürlich begegnen wir uns bei Premieren, aber wir haben kaum Kontakt.
ddp: Könnten Sie sich vorstellen, etwas komplett anderes zu machen?
Wagner: Alternativ zur Regie hätte mich noch ein Jurastudium interessiert. Dafür habe ich eine echte Ader. Aber ich liebe meinen Beruf. Regisseurin zu sein, das ist ein Traumberuf, in dem ich völlig aufgehe.
ddp: Als Intendantin müssten Sie sich da ja einschränken.
Wagner: Ich bin mit Bayreuth so sehr verbunden, dass ich einiges aufgeben würde, um mich ganz darauf konzentrieren zu können. Klar, dafür müsste ich Abstriche als Regisseurin machen.
ddp: Was macht Katharina Wagner, wenn sie nicht inszeniert?
Wagner: Ins Fitnessstudio gehen. Ich laufe jeden Tag eineinhalb Stunden auf dem Crosstrainer.
ddp: Und was hören Sie gerne - außer Wagner?
Wagner: Was man über die Charts so mitbekommt. Shakira, Anastacia, auch Rammstein mag ich ganz gern, besonders die neuen Alben.
ddp: Bis zum 25. Juli ist es nicht mehr lange hin. Sind Sie nervös?
Wagner: Schon, auf dieser Produktion lastet ein wahnsinniger Druck. Das muss man verdrängen. Aber so cool wie mein Vater bin ich leider nicht.
Christa Sigg