Essen - «Sofar Sounds» ist die hippe Variante der Privatkonzert-Plattformen: Wer wann wo spielt, bleibt bis kurz vor den Auftritten mit wenigen Dutzend Besuchern geheim. Tausende sehen danach aber Videos der heimeligen Gigs online. Ein Zeitgeist-Phänomen?
Wer den Musikklängen im Treppenhaus in der Essener Innenstadt bis zu ihrem Ursprung folgen möchte, muss durch eine WG-Wohnungstür und dazu an Inga Roloff vorbei. «Steht ihr auf der Gästeliste?», fragt die Studentin mit hochgebundenem Dutt und großen Brillengläsern. Sind die Namen der Neuankömmlinge abgehakt, heißt es «Schuhe aus» und ab ins Wohnzimmer zum Sofar Sounds-Konzert.
Dort sitzen dicht an dicht 40 junge Menschen - über 20, aber unter 30 Jahre alt - auf dem Holzboden. Andächtig lauschen sie dem zart gehauchten Deutsch-Pop der Band «3 Sekunden Island». Das Duo spielte schon in Berlin und Köln. Als erster Act des «Sofar»-Abends treten die Musiker zwischen Couchgarnitur und Zimmerpflanzen auf.
Die 24-jährige Roloff hat den Abend organisiert, an dem auch «JURI» und die Neuseeländer «Joseph and Maia» auftreten. «Bei Sofar steht die intime Atmosphäre und der Respekt gegenüber Künstler und Musik im Fokus», erklärt sie zum Konzept. Ähnliches gibt es inzwischen weltweit in 240 Städten.
Zuhörer bei Sofar registrieren sich über die Online-Plattform. Mit Glück gehört man dann zu den Ausgewählten, die einen Tag zuvor erfahren, wo und wann genau das Konzert stattfindet. Wer spielt, bleibt bis zuletzt geheim. Auch potenzielle Gastgeber können sich bei Sofar melden.
Bezahlt wird nichts. «Nur am Ende geht der Hut für die Musiker rum», sagt Roloff. Organisatoren, Künstlern und Zuhörern gehe es schlicht darum, Musik in einem respektvollen Rahmen zu genießen, statt sie als bloßes Hintergrundrauschen in der Kneipe abzutun.
Das ist alles? Ein dankbares Publikum? «Wir erhoffen uns natürlich auch ein schönes Video», sagen Thomas Kaczerowski und Tim Inteeworn von «3 Sekunden Island». Denn Sofar garantiert auch Konzert-Mitschnitte, die später auf der Online-Plattform Youtube laufen können. Die so im Netz geteilte intime Atmosphäre trifft einen Nerv: Die Videos werden hundert- bis tausendfach geklickt.
Zwar gibt es Sofar-Events nicht zwangsläufig nur in Wohnzimmern - in Essen habe die Acts schon im Showroom eines Möbelherstellers, in Galerien und Cafés gespielt. Aber die heimischen vier Wände als Bühne zur Verfügung zu stellen, das ist ein allgemeiner Trend.
Wenn die Künstler allerdings nicht zuletzt dank Sofar bekannter werden, könnte ihnen die Privatbühne zu klein werden, räumt Pascal Zampa ein. «Sind Künstler erfolgreich, kommt irgendwann der Punkt, an dem das Verlangen nach mehr Kapital größer wird», sagt der Dozent für Eventmanagement an der Northern Business School Hamburg.
Aber von genau diesen größeren Happenings wollen die Sofar-Besucher weg, erklärt eine Zuhörerin in Essen: «Das hier ist wie ein Couch-Surfing-Event. Man lernt nette Leute in gemütlicher Runde kennen - und beim Konzert in der Masse zu stehen und eigentlich nichts mitzukriegen, das ist nervig.»