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Rostock (ddp). Die ostdeutsche Rockband beendet am Donnerstagabend einen peinlichen Namensstreit mit einer Umbenennung. «Vorübergehend», wie Sänger Claudius Dreilich in der ausverkauften Rostocker Stadthalle nicht müde wird zu betonen.
Der Band gelingt ein Konzert der Emotionen, ohne auf die Tränendrüsen zu drücken. «So viel Lockerheit und Spaß am Spielen, das war das Beste, was ich je von Karat gesehen habe», sagt ein Fan.Dass es keine gewöhnliche Mugge werden sollte, war schon bei der Ankündigung als «Solidaritätskonzert» klar. Seit zwei Monaten streitet die Band öffentlich mit der Witwe des langjährigen Karat-Sängers Herbert Dreilich, der vor einem Jahr starb und sich ohne Wissen der Band die Rechte am Markenzeichen «Karat» hatte sichern lassen. Die Alleinerbin gewann den Rechtsstreit. Ab 1. Januar 2006 sollte die Band nach 30 Jahren Bühnenauftritten de facto ohne Namen sein. Das könne nicht sein, fand der Privatsender Antenne Mecklenburg-Vorpommern und organisierte ein allerletztes Konzert drei Tage vor Ende des Karat-Zeitalters.
Innerhalb von acht Tagen waren die Tickets ausverkauft. Und im dicksten Schneesturm kommen auch alle, die Stadthalle ist voll wie selten. «Wir sind völlig überwältigt», sagt Dreilich Junior auf der Bühne. Nach «Schwanenkönig», «Der blaue Planet» und «Über sieben Brücken» kocht die Halle. Dreilich steht auf der Bühne wie sein Vater, bewegt sich wie er und ist ihm auch noch verblüffend ähnlich.
Die Fans nehmen den winzigen gesanglichen Unterschied großzügig hin. Denn was wirklich mitreißt, ist die Spielwut der Band. Minutenlange Soli an Keybord, Schlagzeug und Gitarre - Martin Becker, Michael Schwandt, Bernd Römer und Christian Liebig genießen jeden Akkord. Und drücken sich nach jedem Lied. «Mir gefällt jeder Augenblick, ich liebe seinen Zauber. Wir lieben trotzdem jede Stunde.» Man sieht es ihnen an.
«Völlig gleich, wer was schreibt: Das hier ist meine Familie», ruft Dreilich seinen Männern zu, und das Publikum johlt. Der Sänger stand einige Jahre gemeinsam mit seinem Vater auf der Bühne, dennoch war sein Aufstieg zum Frontmann von Karat keine Selbstverständlichkeit. Die Fans in Rostock lieben ihn ein bisschen aus Sentimentalität, vor allem aber wegen seiner respektvollen und herzlichen Art. Und sie lieben den Kämpfer. «Das Lied \'Keiner zwingt mich in die Knie\' war meinem Vater auf den Leib geschrieben. Und auch wir leben danach.»
Weil es so schön passt, treten sie im kommenden Jahr unter dem Band-Anfangsbuchstaben «K» an. Drei Leerzeichen folgt ein Ausrufezeichen. «Wir kämpfen für jeden weiteren Buchstaben», sagt Claudius. Jetzt müssten die Anwälte entscheiden. Obwohl die Stimmung aufgeheizt ist, fällt kein böses Wort zum Rechtsstreit. Die Witwe Dreilichs bleibt ebenso außen vor wie Vater Herbert, der schließlich ohne Wissen der Band den Namen für sich beanspruchte und so erst postum den Streit vom Zaun brach.
Die vergangenen Monate seien für die Band eine Achterbahn der Gefühle gewesen, aber noch nie sei die Rückenstärkung der Fans so groß gewesen, sagte Bandmanagerin Adele Walther. «Selten kamen so viele Emotionen von oben ins Publikum und andersrum», sagt sie. Und Schlagzeuger Michael Schwandt, einer der Karat-Oldies, schiebt hinterher: «Das war das schönste Jahr für mich.» Und als Dank an das Publikum folgt der König, «verneigt euch tief und so weit es geht, vor dieser herrlichen Majestät», die Band macht eine tiefe Verbeugung vor den Fans. Ab April gibt es ein Wiedersehen unter K...!. Der König ist tot, es lebe der König.