Hauptbild
Bayreuther Festspiele 2016 starten ohne roten Teppich. Foto: Stadt Bayreuth
Bayreuther Festspiele. Foto: Stadt Bayreuth
Hauptrubrik
Banner Full-Size

Katharina Wagner im Interview: „ Strukturen müssen verändert werden“

Publikationsdatum
Body

Seit 14 Jahren steht Katharina Wagner, die Urenkelin des Komponisten, an der Spitze der Bayreuther Festspiele. Wenn sie das bleiben soll, müsse sich an den Strukturen dort einiges ändern, sagt sie im dpa-Interview – und spricht auch über Sexismus-Vorwürfe.

Die Bayreuther Festspiele sollen in diesem Jahr ein Opernspektakel der Superlative werden. Doch kurz vor dem Start werden Vorwürfe laut, die einen dunklen Schatten auf den Grünen Hügel werfen. Die Richard-Wagner-Festspiele haben nun auch eine #Metoo-Debatte. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht Festspiel-Chefin Katharina Wagner über Sexismus, Finanzen – und ihre Zukunft an der Festspiel-Spitze.

Frage: Ein Bericht über sexuelle Übergriffe überschattet die Bayreuther Festspiele. Was sagen Sie zu den Vorwürfen?

Katharina Wagner: „Diese Behauptungen haben uns alle sehr betroffen gemacht. Wir haben alle Mitwirkenden informiert und eventuell Betroffene ermutigt sich direkt oder anonym zu melden.“

Auch sie selbst sollen betroffen sein. Haben Sie in Ihrer Arbeit als Festspielleiterin Sexismus erlebt?

„Sexuelle Anzüglichkeiten und teilweise Übergriffe in gewisser Weise ja, ich habe mich aber zu wehren gewusst.“

Gibt es personelle Konsequenzen aus diesen Vorwürfen?

„Sollten sich Vorwürfe bewahrheiten unmittelbar und ganz direkt, ja.“

Frage: Zweites großes Thema: Corona. Wie viele Sorgen machen Sie sich in diesen Tagen um eine Corona-Infektion von Stephen Gould, der ja gleich drei große Rollen singt in diesem Jahr? 

 „Jede Corona Infektion kann natürlich zu einer Herausforderung werden. Wir haben Back-Up-Pläne, wir sind redundant, aber ja: Wenn Stephen Gould oder Georg Zeppenfeld mit ihren drei oder sogar vier Partien ausfallen, wäre das natürlich sehr schwierig. Wir hoffen mal nicht, dass es dazu kommt.“

Corona beschäftigt die Festspiele jetzt seit zwei Jahren. Der „Ring“, der in diesem Jahr neuproduziert auf die Bühne kommt, war eigentlich für 2020 geplant. Hat er sich gut gehalten?

„Absolut. Valentin Schwarz ist absolute Spitzenklasse, höchst professionell und ruhig – und ein wirklicher Praktiker. Er hat wunderbar gearbeitet und es geschafft, die Spannung über zwei Jahre perfekt zu halten. Natürlich könnte man auch resignieren, wenn der Dirigent kurz vor der Premiere ausfällt, aber es nützt ja nichts. Es ist, wie es ist. Dieser Pragmatismus ist Gott sei Dank bei uns allen im Moment weit verbreitet. Man hat zwei Möglichkeiten: Entweder man lässt es ganz – oder man versucht es unter den gegebenen Umständen trotzdem in bester Qualität.“

Valentin Schwarz hat seinen Ring als eine Art Netflix-Serie angekündigt. Ist das auch ein Versuch der Bayreuther Festspiele, sich mit modernen Erzählweisen ein jüngeres Publikum zu erschließen?

„Der „Ring“ ist ein Sammelsurium an Themen und auch als Weltentwurf angelegt und gewollt. Wir begegnen immer wieder denselben Personen, die uns begleiten und von den Geschehnissen erzählen. Für Valentin Schwarz ist das ein Familienepos, in dem die Figuren über Generationen hinweg begleitet werden. Von daher entstand der Vergleich mit den Netflix-Serien. Es ist das Episodenhafte bei der Begleitung der Figuren, das an solche Serien erinnert und man automatisch den nächsten Teil sehen will.“

Wie beruhigt sind Sie darüber, dass Sie noch kurzfristig entschieden haben, noch zusätzlich einen neuen „Tristan“ auf den Spielplan zu setzen.

„Es hätte ja keiner gedacht, dass die Situation in diesem Sommer nochmal so ist, wie sie ist. Und ich glaube, es war die richtige Entscheidung – auch vom Verwaltungsrat – diesen „Tristan“ noch auf den Spielplan zu setzen.“

Roland Schwab hat seinen „Tristan“ als eine Art Utopie angekündigt, eine ästhetische Alltagsflucht...

„Ja, der neue „Tristan“ ist im wahrsten Sinne des Wortes schön und ästhetisch. Natürlich waren es besondere Probenumstände, die Zeit knapp – und dass Cornelius Meister nun den Tristan nicht dirigiert, weil er den „Ring“ übernimmt, macht die Sache natürlich nochmal besonders. Aber Markus Poschner hat eine wirklich herausragende Hauptprobe dirigiert – quasi einen Tag, nachdem wir ihn vom Strand auf Kreta weggeholt haben.“

Sie haben mit Valentin Schwarz einen sehr jungen „Ring“-Regisseur nach Bayreuth geholt...

„Er ist zwar noch jung, aber bereits ein hervorragender Kollege...“

... auch „Tannhäuser“-Regisseur Kratzer ist vergleichsweise jung und hat eine moderne Inszenierung auf die Bühne gebracht. Ändern sich die Festspiele dadurch? Gibt es zum Beispiel inzwischen eine andere Art der Kommunikation oder ein anderes Hierarchiedenken?

„Mit dem Alter haben Kommunikation und Arbeitsqualität aus meiner Sicht zuerst einmal nicht viel zu tun. Beide – Tobias Kratzer und Valentin Schwarz – sind einfach extrem professionell und liefern überzeugende Arbeit ab.“

Inzwischen klagt man an allen Ecken und Kanten über Fachkräftemangel. Hat Corona es auch bei Ihnen schwieriger gemacht, Personal, Sänger zu finden?

„Es gibt natürlich schon Sänger, die sagen, dass sie in diesen Zeiten nicht auftreten wollen, weil es ihnen zu risikoreich ist. Und es gibt heute auch deutlich mehr Opernhäuser als früher, die ihre Leute nicht mehr so einfach freistellen wie früher.“

Wie teuer war die Corona-Pandemie bislang für die Festspiele?

„Wir haben ein Jahr gar nicht gespielt und ein Jahr vor halbleerem Haus. Wir mussten ein Hygienekonzept finanzieren, Pläne umwerfen. Das bleibt natürlich nicht ohne Folgen. Es gibt einen Fehlbetrag, der aber durch die zeitweise Kurzarbeit tatsächlich abgemildert wurde, Mittel aus dem Programm Neustart Kultur haben uns ebenfalls geholfen.“

In München steht das neue Konzerthaus zur Disposition, weil nach zwei Pandemie-Jahren und nun auch noch mit dem Krieg in der Ukraine das Geld knapp wird. Was entgegnen Sie Menschen, die sagen, dass die vielen Millionen, die für die Sanierung des Festspielhauses eingesetzt werden müssen, anderweitig womöglich besser gebraucht werden könnten?

„Denen sage ich, dass wir hier ein einmaliges Kulturdenkmal besitzen, einen Schatz, den es zu erhalten gilt. Die Kosten für die Generalsanierung sind vergleichsweise deutlich geringer als die Kosten des geplanten Neubaus in München.“

Wie teuer darf Kultur sein?

„So teuer, dass zum einen das Publikum noch bereit ist dafür zu bezahlen, zum anderen die vielen Menschen, die in der Kunst arbeiten und diese erst möglich machen, davon auch leben können.“

Ex-Kulturstaatsministerin Grütters hatte den Bayreuther Festspielen Reformwünsche mit auf den Weg gegeben. Wie weit ist der Runde Tisch inzwischen gekommen, der sich mit Reformen beschäftigen soll?

„Die Arbeitsgruppe arbeitet daran. Dass Frau Prof. Grütters mit ihrer Einschätzung, dass sich etwas ändern muss, recht hat, hatte ich ja damals schon gesagt.“

Was müsste sich denn ändern?

„Vor allem Strukturen in der GmbH.“

Wie wichtig sind mögliche Reformen bei der Frage nach Ihrer Zukunft? Ihr Vertrag als Festspielleiterin läuft 2025 aus – aus Sicht eines Opernhauses mit langen planerischen Vorlaufzeiten ist das schon übermorgen.

„Aus meiner Sicht ist eine Veränderung gewisser Strukturen tatsächlich unumgänglich. Davon hängt auch maßgeblich ab, ob und wie ich mir weitere Jahre als Festspielleiterin vorstellen kann. Das muss man auch einfach mit den entsprechenden Gesellschaftern besprechen, wie das in Zukunft gestaltet werden soll. Gewisse Dinge müssen einfach professionalisiert werden.“

Welche?

„Das sollte zunächst einmal innerhalb der GmbH diskutiert werden und noch nicht öffentlich.“

Ihre beruflichen Pläne beschränken sich ja nicht nur auf Bayreuth. Bleibt es dabei, dass ihr für 2020 geplanter „Lohengrin“ 2025 in Barcelona auf die Bühne kommt?

Voraussichtlich ja, aber es gibt noch weitere Planungen mit einer Neuproduktion „Parsifal“ in Riga und Lissabon, sowie „Macbeth“ in Asien.


ZUR PERSON: Katharina Wagner (44) ist die Urenkelin von Richard Wagner und leitet seit 2008 die Bayreuther Festspiele, die traditionell am 25. Juli beginnen – zunächst gemeinsam mit ihrer Halbschwester Eva Wagner-Pasquier, seit 2015 allein.

 

Ort