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Leben der Hannelore Kohl wurde erneut Opernstoff

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Berlin (ddp-bln). «Es ist immer schön, nicht im Wege zu sein», sagt die Frau. Und später an ihren abwesenden Mann gerichtet: «Du bist so groß, dass ich schon nicht mehr bin». Mit der Uraufführung «Licht» hat die Neuköllner Oper am Donnerstagabend erneut einen Stoff aus der Polit-Welt auf die Bühne gebracht.

Das Musiktheaterstück nach einem Theatertext von Dea Loher erzählt die Geschichte einer Frau, die zwar namenlos bleibt, sich aber leicht als die verstorbene Ex-Kanzler-Gattin Hannelore Kohl identifizieren lässt. Die Frau tigert abgeschottet von der Welt durch einen gläsernen Käfig, den sie nicht verlassen kann, weil sie das Licht nicht erträgt. Selbst Nachrichten kann sie nicht schauen, auch der Fernseher ist ihr zu hell. Die Blumen sind in der Dunkelheit bereits eingegangen, die Fische tot - die Frau musste das Licht im Aquarium ausschalten. Die Frau auf der Bühne lebt noch - irgendwie - auf ihrem Grabstein möchte sie lesen: «Mehr Licht / Mehr Licht / Wollte sie gar nicht». Hannelore Kohl, die an einer Lichtallergie litt, hat sich 2001 das Leben genommen. In der Inszenierung von Boris von Poser begegnet die Frau, die im Schatten ihres mächtigen Mannes steht («Mein Anteil ist so klein, dass ich ihn gar nicht erwähnen möchte»), drei Schatten (Regine Gebhardt, Kathrin Unger und Cornelia Wosnitza) ihrer selbst. Ihnen schreit sie ihre Verzweiflung entgegen, trifft in den Antworten der drei aber doch immer wieder nur auf sich selbst. Die Situation ist so ausweglos wie der abgeschottete Raum, in dem sie sich entwickelt. Veronika Nickl, von Haus aus Schauspielerin, spielt die Frau in «Licht» mit betroffen machender Intensität. Zwischen Resignation, Verzweiflung und Wahnsinn hin- und hergerissen, zeigt sie das Bild einer Frau, die immer zwei Schritte hinter den anderen bleibt und aus ihrer Rolle nicht ausbrechen kann («Ein ästhetisches Heim gehört alltäglich hingerichtet»). Für sich selbst hat sie jede Hoffnung auf Besserung aufgeben. Aber ihre Tochter, wenn sie dann eine hätte, «könnte gern ein bisschen im Weg herumstehen». Die Schatten haben in der musikalischen Fassung des Stücks (Musik: Wolfgang Böhmer) die Funktion eines antiken Chors. Sie stehen in Zwiesprache mit der Protagonistin, begleiten sie, kommentieren und verstärken die von der Frau ausgelösten Stimmungen. Die vier Frauenstimmen werden begleitet von Vibraphon und Schlagwerk. Dabei entstehen Klangwelten, die die Hoffungslosigkeit und Verzweiflung, die der Text vorgibt, verstärken und emotionalisieren. So kann es dem Zuschauer in der mit 70 Minuten lang wirkenden Inszenierung gelingen, sich von der bekannten Stoffvorgabe - das Leiden der Hannelore Kohl - zu lösen und eine personenunabhängige, menschlich tragische Konstellation zu erkennen. Die Neuköllner Oper hatte 2002 mit der Uraufführung von «Angela - eine Nationaloper» schon einmal eine Figur aus der aktuellen Politikszene - CDU-Chefin Angela Merkel - zum Mittelpunkt einer Oper gemacht. Das Leben der Hannelore Kohl ist außer in Dea Lohers 2001 für das Hamburger Thalia Theater entstandenem Stück auch in Sascha Schmidts «Hannelore Kohl - Ein Leben im Schatten» thematisiert worden. Schmidts Drama wurde im April in Hannover uraufgeführt und handelt von der letzten Stunde im Leben der Hannelore Kohl.
http://www.neukoellneroper.de
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