Hauptrubrik
Banner Full-Size

«Maskenball» auf den Trümmern von Ground Zero

Autor
Publikationsdatum
Body

Erfurt (ddp). Was andere nur zynisch finden mögen, ist für Regisseur Johann Kresnik konsequent: Giuseppe Verdis «Maskenball» tanzt auf den Trümmern des World Trade Centers in New York. Der international bekannte und streitbare Künstler verspricht eine politisch aufgeladene Inszenierung, die am Samstag (12. April) in der Neuen Oper Erfurt Premiere hat.

Bei Verdi spielte die Geschichte um Macht, Mord und Liebe ursprünglich in Stockholm. Weil ein Königsmord die Zensoren im 19.
Jahrhundert aufschreckte, verlegte Verdi den Schauplatz ins nordamerikanische Boston und verfremdete die Figuren, ohne die Grundkonstellation zu verändern. Kresnik geht an der Erfurter Oper in eine neue Richtung. Er erkennt im «Maskenball» als innere Triebfeder der Figuren eine Verschwörungstheorie. Deshalb verlegt er den Handlungsort in das zerstörte World Trade Center.

Dazu ist natürlich erforderlich, hinter dem terroristischen Attentat vom 11. September 2001 ebenfalls eine Verschwörung zu sehen.
Kresnik zweifelt daher die gängige Version des Anschlags an, da gäbe es sehr viele Theorien, sagte er im ddp-Gespräch. Beim 11. September und im «Maskenball», so sein Vergleich, gehe es um Macht und Politik, die in Frage zu stellen seien.

Kresniks harsche Kritik an den USA hat ihre Ursachen im Vietnam-Krieg. Seitdem sei er kein Freund Amerikas mehr, sagt der 68-Jährige über sich selbst. Er habe in Los Angeles den «Rosenkavalier» inszeniert und zugleich aus nächster Nähe das schreckliche Elend auf den Straßen erlebt, die totale Überwachung und Kontrolle durch die Polizei. Diese Erfahrungen und seine marxistische Grundhaltung, zu der er sich bekennt, prägen seit über 40 Jahren seine Arbeit als Künstler und seine Distanz zum politischen System in den USA.

Die Masken in seiner Erfurter Inszenierung, verspricht Kresnik, würden nichts mit den sonst oft verwendeten wunderschönen Masken Venedigs zu tun haben. Sie versteckten das Gesicht der Täter, deshalb verwende er brutale Kostümierungen, wie etwa Schweinsmasken.

Bereits vor der Premiere sorgte Kresnik für Schlagzeilen und rief die Kritik einzelner lokaler Politiker hervor, weil in seiner Inszenierung ältere Statisten nackt auf der Bühne agieren. Der Regisseur lässt sie im «Maskenball» als die Unterschicht auftreten, die nichts mehr in dieser Gesellschaft zu gewinnen habe. Unter den Statisten gebe es einige, sagt der Regisseur, die aus eigener Erfahrung diese soziale Situation kennen würden.

Generalintendant Guy Montavon kennt Kresnik und seine unkonventionellen Arbeiten seit über 20 Jahren. Dessen Sicht auf den «Maskenball» sei etwas für Hartgesottene, meint Montavon, eine radikale Uminterpretation. Die derzeit an der Erfurter Oper laufende italienische Spielzeit sei sonst sehr «soft».

Anders als bei Verdi gibt es auf der Bühne in Erfurt kein Happy End, sondern der Konflikt endet in einer Katastrophe. Ob auch die Inszenierung als solche aufgenommen wird oder einen Skandal provoziert, bleibt abzuwarten. Ihn interessiere nicht, sagt Kresnik, ob Buhrufe oder Bravos zur Premiere fielen. Wenn aber nur Bravo gerufen werde, dann habe er etwas falsch gemacht. Schließlich wolle er mit dem Publikum eine Diskussion führen.
Autor
Musikgenre