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«Meistersinger» beenden Eröffnungspremierenzyklus in Bayreuth

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Nun macht er\'s also wahr. Mit wehmütigem Lächeln und sichtlich gerührt trat Wolfgang Wagner am Freitag ein letztes Mal vor den Vorhang der Bayreuther Bühne. Doch nicht etwa in seiner Funktion als Festspielleiter, sondern als Regisseur.

Bayreuth (ddp). Als sich der Wagner-Enkel nach den «Meistersingern» seinem Publikum präsentierte, erntete er orkanartige Begeisterungsstürme. Doch der Jubel mochte eher seinem Lebenswerk, als dieser letzten Inszenierung gelten. Denn was sich nur wenige Minuten zuvor auf der Bühne darbot, gab dazu wenig Anlass. Dagegen zog einer an diesem Abend sämtliche Register seines Könnens: Christian Thielemann lieferte - wieder einmal - Überwältigendes aus dem Orchestergraben und sorgte damit für den Ausgleich.

Der war auch bitter nötig beim putzigen Aufmarsch der Nürnberger Meisterlein. Da trifft fränkische Butzenscheiben-Idylle auf ein Quäntchen Kleinbürger-Pathos, denn schließlich geht es ja nur um die deutsche Kunst. Nichts weiter, und im Grunde nicht einmal das. Wolfgang will es so, die große Auseinandersetzung verschwindet hinter Harmlosigkeiten, zu denen eine Festwiese voller Teletubbies schunkeln und winken darf.

Immerhin vermag es Robert Holl in der Rolle des dichtenden Schusters Hans Sachs, von der Dominanz des bedenklich Unbedenklichen abzulenken. Sein Wahn-Monolog wird zur bewegenden Innenschau ? und zur Beruhigung, denn wenigstens ist da einer, der das Geschehen reflektiert. Dass Holl in den Dialogen oft etwas behäbig wirkt, wird deshalb verzeihlich. Und schließlich ist da ja noch - oder vor allem - die Regie, die das Ensemble in hohler Stummfilm-Gestik erstarren lässt.

Dem Gesang war\'s zumindest nicht abträglich: In der Rolle des Stolzing wirkt Robert Dean Smith von Jahr zu Jahr sicherer, souveräner, wenngleich die Partie schon früh an seinen Kräften zehrt. Emily Magees Eva bezaubert durch lyrischen Schmelz in der Stimme, Andreas Schmidts Beckmesser gewinnt langsam an Prägnanz, dazu leisten Clemens Bieber als David und Michelle Breedt als Magdalene verlässlich Solides. Sensationelles drang aus dem verdeckten Graben, denn Thielemann wob an einem Klangbild von höchster Transparenz. Und so war es wieder einmal die Musik, die über so manche Bühnenplattitüde hinwegtrösten musste.

Auch sonst ist Bayreuth nicht unbedingt der Ort inspirierenden Musiktheaters. Jürgen Flimm kramt für seinen «Ring des Nibelungen» in den Mottenkisten der 80er und 90er Jahre, verkneift sich - ganz in der Manier des verspäteten Achtundsechzigers - jegliches Pathos und lässt es versöhnlich menscheln. Doch schafft er immer wieder Figuren von echtem Theaterformat, wie etwa den an sich selbst leidenden Hagen der «Götterdämmerung».

Schöne Belanglosigkeit dominiert dagegen den neuen «Tannhäuser» von Philippe Arlaud, und das ist weit problematischer. Denn eine Inszenierung, die weniger Unmut als Langeweile auf die Bühne bringt, markiert den Ausverkauf der Regie. Vielleicht sollte sich Arlaud künftig besser um Zukunftsmusik kümmern, respektive um das noch nicht geplante Richard-Wagner-Musical...

Und ob sie nun gefällt oder nicht: Die einzige in sich geschlossene, runde und schlüssige Inszenierung bei den 91. Bayreuther Festspielen ist Keith Warners schwarzromantische Deutung des «Lohengrin». Daran vermag auch Befremdliches wie der Kitsch-Plastikschwan während des Vorspiels oder Elsas Wassertret-Nummer nichts zu ändern. Hinzu kommt, dass die Titelpartie und die Rolle der Elsa mit zwei überragenden Sängern besetzt sind: Peter Seiffert (alternierend mit Robert Dean Smith) und Petra-Maria Schnitzer füllen das blutleere Liebespaar mit Leben - und echter Leidenschaft. Vom betörenden Wohlklang der Stimmen ganz zu schweigen. Und das ist in Bayreuth nicht die Regel. Doch bei allem Unmut, den die Hälfte der Inszenierungen und so mancher Sänger aufkommen lassen, werden Chor und Orchester zum allgemeinen Rettungsanker der Festspiele - und dazu gehören natürlich die Ausnahmeleistungen von Christian Thielemann, Adam Fischer und Chorleiter Eberhard Friedrich.
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