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Der Blick haftet an der Hallendecke, die Arme teilnahmslos hinter dem Rücken verschränkt. Nur wenn Liam Gallagher zwischen den Stücken an den Bühnenrand schlurft, um ein Tässchen Tee zu schlürfen, kommt ein wenig Bewegung in die starre Szenerie.
Berlin (ddp). Für die Fans könnte eine typische Oasis-Show kaum aufregender ausfallen. Bei der englischen Gruppe weiß man nämlich nie: Die gespielte Gleichgültigkeit kann schließlich jederzeit in eine ganz reale kippen. Denn der Konzertabbruch lauert hinter jedem Gitarrenverstärker, wenn Oasis am 28. November in Stuttgart ihre bis dato längste Deutschland-Tour beginnen.Auch wenn sich die Aufregung der Medienöffentlichkeit nach dem Abflauen des Britpop-Booms mittlerweile gelegt hat: Oasis sind acht Jahre nach ihrem Singledebüt eine der letzten wirklich gefährlichen Rockbands. Die Art und Weise, wie die Bandmitglieder sich auf der Bühne untereinander mit Argwohn beäugen und das Publikum keines Blickes würdigen, macht Oasis zu legitimen Nachfolgern von Guns \'N Roses: arrogant, großmäulig und trotzdem grundsympathisch.
Als Frontmann Liam Gallagher kürzlich im japanischen Fukuoka angeblich wegen stimmlicher Probleme nach wenigen Minuten die Bühne verließ, mag das für das Publikum einigermaßen unschön gewesen sein. Doch auf solch bedauerliche Einzelschicksale kann keine Rücksicht genommen werden. Schließlich ist in Zeiten, in denen die RocknRoll-Branche nichts weiter zu sein scheint als ein professionell geführtes Service-Unternehmen, die gelegentliche Verweigerung des Dienstes am Kunden ein wichtiges Statement: für Spontaneität und Wildheit nämlich.
Obendrein erleichtert die gekonnte Anti-Show - keine Ansagen, kein Blickkontakt, kaum Interaktion - die Hinwendung zur Musik. Es ist durchaus zu erwarten, dass sich die Band bei den sechs Shows in Deutschland - darunter zwei Nachholtermine der zuvor ausgefallenen Konzerte in Stuttgart und Bremen - kompakt und gut eingespielt präsentieren wird. Seit dem Mitte des Jahres erschienenen fünften Album «Heathen Chemistry» scheint die Chemie zwischen dem ungleichen Bruderpaar Liam und Noel zu stimmen. Der ewige Zwist ist offenbar beigelegt. Auch halten sich die Gallaghers seit dem gefloppten Album «Standing on the Shoulder of Giants» eher im Proberaum denn in den Klatschspalten auf und pflegen mit Hingabe das Beatles- und Kinks-Erbe. Mit Erfolg: Kritiker sehen die aktuellen Songs in der Tradition der größten Hits wie «Wonderwall» oder «Don\'t look back in Anger». Die Single «The Hindu Times» richtete sich in Windeseile auf den vorderen Hitparadenplätzen ein.
Man solle seine Konzerte jetzt besuchen, wo er noch «heiß» sei, sagte Liams Gegenspieler Robbie Williams dieser Tage auf einer Pressekonferenz in Berlin. In ein paar Jahren werde er dann nur noch mit Rentner-Bands wie Oasis auf Tour gehen. Da ist etwas dran. Auch im umgekehrten Falle, dem von Oasis nämlich, wird ein Schuh daraus. Die Band ist noch heiß.
Boris Fust
Tourdaten:
28.11. Stuttgart, Congresscentrum B (ausverkauft) 29.11. Frankfurt am Main, Jahrhunderthalle 01.12. München, Zenith 02.12. Hamburg, Color-Line-Arena 04.12. Düsseldorf, Philipshalle 05.12. Bremen Pier 2 (ausverkauft)
(http://www.oasisinet.com)