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Peer Gynt in Berlin: Und immer lockt das nackte Weib

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Berlin (AP-nmz) Auf die Titelseite der «Bild»-Zeitung hatte es das Berliner Ensemble jahrelang nicht geschafft. Am Donnerstag war es so weit dank Anouschka Renzi. Am Abend trat die 39-Jährige in Henrik Ibsens «Peer Gynt» auf. Und auf der traditionsreichen Brechtbühne lässt sie doch tatsächlich alle Hüllen fallen und reitet nur mit einem String-Tanga bekleidet auf einem Pappmaché-Pferd davon.

So wollte es Regisseur Peter Zadek. In der dreieinhalbstündigen Aufführung brilliert Uwe Bohm als zunächst verschmitzter und wagemutiger, dann arroganter, skrupelloser und letztendlich verzweifelter Titelheld. Der 77-jährige Altmeister Zadek inszenierte das norwegische Nationalstück aus dem Jahre 1867 in der Version von Peter Stein und Botho Strauß. Es entstand ein unterhaltsames Spektakel mit vielen skurrilen Typen und humorvollen Einlagen, etwa, wenn ein vor einer Leinwand hängendes Schiff mit einem lauten Knall untergeht und schließlich Krabben und Fische aus Plastik auf die Bühne fliegen.
Daneben überzeugen auch die meisten anderen Schauspieler. Angela Winkler spielt eine liebende Mutter, die aber zu schwach ist, sich gegen ihren Sohn durchzusetzen. Und Annett Renneberg ist als Solveig die einzige Frau, die Peer Gynt wirklich liebt. Dazu muss sie sich nicht ausziehen. Im Gegenteil: Züchtig trägt sie von Beginn bis zum Ende ein blaues Kleid, das gut zu einer Konfirmation passen würde. Die Reinheit ihrer Erscheinung macht sie für Peer Gynt so reizvoll, trotzdem verlässt er sie zunächst. Als Greis tritt er schließlich vor sie und erlangt die ersehnte Verzeihung von ihr.
Das Ensemble mit seinen 23 Schauspielern muss über 80 Rollen meistern. Trolle, Schweine, Affen, Sphinxen, Schiffe oder Wellen stellen sie dar. Zadek gibt ihnen die gesamte Bühne zum Spiel, Requisiten werden nur sparsam eingesetzt. Damit das Publikum nicht nur guckt, sondern sich auch in die norwegische Fantasie-Welt versetzt fühlt, bleibt der Zuschauerraum während der gesamten Aufführung beleuchtet. Als Peer Gynt einmal fliehen muss und von einer wilden Meute verfolgt wird, müssen auch die Besucher aufspringen, jagen die Schauspieler doch durch den Zuschauerraum.
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