Body
Die Musik spielt in L.E. - Ausgerechnet in Krisenzeiten etabliert sich Leipzig mit der Messe «Pop Up» als alternativer Pop-Standort. Künstler und Hintermänner der alternativen Musikszene präsentieren sich ab Donnerstag zur Messe «Pop Up» in Leipzig. Bis Sonntagnacht soll in acht Clubs Auftritte von insgesamt 70 Bands, Musikern und DJs geben.
Leipzig (ddp-lsc). Angefangen hat es mit einem Debakel. Im Leipziger Süden stand einst eine Veranstaltung namens «Popkultur» vor dem Aus. Ein so windiger wie artfremder Wirtschaftsberater hatte das Drei-Tage-Spektakel, das einen Konzertmarathon mit einer Kunstschau verband, Anfang Mai 2001 in den Sand gesetzt und die Verluste des mit 1000 Gästen nur mäßig besuchten Events anschließend auf 130 000 Mark beziffert.
Gleiches kann dem Leipziger Verein «Pop Universell» schon deshalb nicht passieren, weil der gesamte Etat für die nun schon zum dritten Mal stattfindende «Leipzig Pop Up» auf 19 000 Euro beschränkt ist. Vereinssprecher Jörg Augsburg selbst nennt die Summe lächerlich. Sie steht indes für das Konzept der Organisatoren, die sich nach dem Desaster vor drei Jahren zusammenfanden, um es ohne fremde Hilfe durchzuziehen.
Aus dem Umfeld des Leipziger Fanzines «Persona Non Grata» und des Vorzeige-Clubs «Ilses Erika» - beide eint ein wohlmeinender Ruf in der überregionalen Independent-Szene - wurde damals die Forderung laut, nunmehr lieber «kleine Brötchen» zu backen und «eine Veranstaltung für Popfans von Popfans» auf die Beine zu stellen. Aus dem Wunsch ist längst Wirklichkeit geworden - nicht zuletzt mit Hilfe unikater Disko-Veranstaltungen, auf denen sich die «Pop up»-Organisatoren selbst hinters DJ-Pult begeben und die Einnahmen dann für das jährliche Mai-Event aufsparen.
«Wir arbeiten alle auf Kosten extremer Selbstausbeutung» hat Augsburg den Arbeitsaufwand selbst einmal beschrieben. Und schließlich spielten auch die Musiker mit, die bei ihren Gagen ziemlich entgegenkommend seien. Das Programm sieht von Donnerstag bis Sonntag in acht Clubs, darunter die Moritzbastei, Auftritte von insgesamt 70 Bands, Musikern und DJs vor. Laut Veranstalter ist «von Gitarenwänden bis zu technoidem Minimalismus» alles dabei, weswegen mehr als die 4000 Konzertbesucher zum vergangenen «Pop Up»-Festival erhofft werden.
Vor einem Jahr waren zudem 1200 Besucher auf der eigentlichen Messe am Samstag gezählt worden, zu der diesmal sogar 120 Aussteller auf dem Gelände im Werk II erwartet werden, unter ihnen Plattenlabels wie Lado und Musikzeitschriften wie die Spex. Auf Diskussionsforen wollen Künstler und Experten unter anderem über das Selbstverständnis der Independent-Szene in Zeiten der Branchenkrise diskutieren.
Während Plattenfirmen wie Universal nach starken Umsatzeinbußen 2003 auch für das laufende Jahr Verluste in der Größenordnung um zehn Prozent erwartet, können Macher in der Nische durchaus auf Zuwächse bauen. Die gepresste Stimmung der Musikbranche fängt Leipzig beispielsweise ganz galant durch Selbst Gepresstes auf: Im Sommer 2001 stampften drei junge Männer als «R.A.N.D. Muzik» mitten in der Boomtown ein neues Schallplattenpresswerk aus dem Boden. Einer von ihnen ist Jan Freund, dessen Angaben zufolge im Leipziger Werk bis April schon monatlich 30 000 Vinyl-Scheiben entstanden. Seit Anfang Mai liefen die Pressen im Zweischichtsystem, weswegen nun 70 000 Stück im Monat angepeilt würden.
«R.A.N.D. Muzik» wird bei der «Pop Up» einen Club-Abend mit einem DJ-Team bestreiten, sich aber wie schon im vergangenen Jahr auch auf der Messe präsentieren. Viele «Geschäftskontakte» habe das damals zwar nicht gebracht, erzählt Freund, macht aber zugleich klar, dass es ihm darum auch nicht gehe. Das Umfeld sei einfach sehr angenehm.
Eine Pop-Familie scheint es obendrein zu sein: Die Presswerker wollen jedenfalls an ihrem Stand diesmal auf eine Tüte Granulat - das Rohmaterial einer Vinyl-Scheibe - verzichten. Freund: «Das kennen die Leute doch schon vom letzten Mal.»
Tino Moritz
http://www.leipzig-popup.de