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Alternativ-Festival in Bayreuth soll künftig jährlich stattfinden +++ Ende der Monokultur angestrebt
Bayreuth (ddp-bay). «Der Monokultur vom Hügel dort droben wollen wir eine Alternative entgegensetzen», sagt der Bayreuther Dirigent Nicolaus Richter. Einen Tag vor dem Start der Bayreuther Festspiele 2006 auf dem Grünen Hügel im Juli brachte er gemeinsam mit dem französischen Regisseur Philippe Arlaud ebenfalls in der fränkischen Kleinstadt Wagners «Ring" an einem Tag in der vierstündigen Fassung von David Seaman auf die Bühne - mit großem Erfolg. «Wir hatten sechs Vorstellungen des \'Rings an einem Abend\', die alle mehr als ausverkauft waren», sagt Richter. Nach diesem ersten Achtungserfolg will der Leiter der städtischen Musikschule Bayreuth nun gemeinsam mit dem renommierten Regisseur Arlaud und dem deutsch-französischen Forum eine alternatives Bayreuth-Off-Festival etablieren.
Für Arlaud, dessen «Tannhäuser» auch 2007 wieder bei den Richard-Wagner-Festspielen auf dem Grünen Hügel zu sehen sein wird, ist der Ringzyklus ein allumfassendes, teils apokalyptisches Drama: «Vom Ursprung der Welt bis ins 21. Jahrhundert, von Aischylos über Wagner bis \'Star Wars\': Ein Katastrophenfilm, wie er aus Hollywood kommt», sagt der Regisseur.
Seamans Fassung greift wesentliche Punkte der Handlung heraus und reiht sie schlaglichtartig aneinander. Die Sänger beschränken sich auf eine prägnante Darstellung der Charaktere. «Im Gegensatz zu seinen hochromantischen Inszenierungen hat Arlaud den \'Ring an einem Abend\' als spannenden Mafia-Krimi in Szene gesetzt», sagt Richter. Das sei bei Publikum und Kritik ausgezeichnet angekommen.
Die Wagner-Alternative hatte sich als Spielort das Internationale Jugendkulturzentrum der Stadt ausgesucht, das laut Richter «ein bisschen den Charme einer Jugendherberge hat». Damen und Herren in eleganter Abendkleidung standen vor der Premiere etwas verloren mit einer Flasche Selters in der Hand an diesem für sie scheinbar so ungewöhnlichen Ort und erwarteten die Aufführung - um dann am Ende restlos begeistert zu sein vom »Ring« in vier Stunden. Der Raum sei aber auch zu klein gewesen für den großen Ansturm der Musikfans, sagt Richter. Jetzt strebe man den Umzug in die Stadthalle an. Bayreuths
Oberbürgermeister Michael Hohl (CSU) habe den «Ring an einem Abend» «mit viel Sympathie verfolgt», heißt es aus dem Rathaus. Konkrete Pläne zur Unterstützung des Off-Festivals gebe es allerdings nicht, sagt Stadtsprecher Joachim Oppold.
«Off-Festspiele können nur zeitgleich und ortsnah sein mit den eigentlichen großen Festspielen, also auch in Bayreuth», sagt Richter. Die künftigen Off-Festivals wollen sich aber nicht monothematisch mit dem großen Richard Wagner befassen. «Im kommenden Jahr wird zum einen Arlauds \'Ring an einem Abend\' wieder aufgenommen, wir haben aber auch an ein Tanztheater nach Wagner-Musik gedacht, an
Liederabende oder an ein großes Blechbläser-Event, das auch mit Wagner zu tun hat», sagt Richter. Gedacht sei in Zukunft auch an eine «Cosi fan tutte» von Wolfgang Amadeus Mozart, den «Bürger als Edelmann» von Moliere und an verschiedene Ausstellungen. «Bayreuth wird sich mit dem Off-Festival in Zukunft sehr schmücken können», ist sich der Musiker sicher.
Auf dem Grünen Hügel betrachtet man die Aktivitäten unten mit Gelassenheit. »Eigentlich ist so ein Off-Festvial eine gute Idee«, sagt der Sprecher der Richard-Wagner- Festspiele, Peter Emmerich. Doch wenn es Sinn haben sollte, so müsste es sich »jenseits von Wagner« bewegen und stattdessen seine eigene Handschrift finden. Außerdem
sollte es mehr Experimentelles wagen, und nicht unbedingt mit den sowieso schon etablierten Regisseuren, wie zum Beispiel Arlaud, arbeiten.