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„Spielart“-Festival München lotet die Grenzen des Theaters aus

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Videoprojektionen, Fernsehtechnik und Diashows: Foto und Film erobern die Bühne beim diesjährigen «Spielart»-Theaterfestival in München. Zum achten Mal versammeln sich die Protagonisten der internationalen Performance- und Experimental-Theaterszene und geben einen Vorgeschmack auf einige Trends, die sich in den kommenden Jahren an den großen Bühnen etablieren werden. Ab Donnerstag (19. November) bis 5. Dezember sind mehr als 20 Inszenierungen von Künstlern aus Europa, den USA, Südamerika und Neuseeland an acht verschiedenen Spielorten in München zu sehen.

Seit 1995 verwandelt sich die Stadt zu jeder ungeraden Jahreszahl in ein Theater-Labor, in dem Regisseure, Autoren und Schauspieler an neuen Mitteln für die Bühne forschen. «Wir versuchen, ungewöhnliche oder noch nicht dagewesene Formen zu finden», sagt Festivalleiter Tilmann Broszat im ddp-Interview. Dabei bedienen sich die eingeladenen Produktionen bei den unterschiedlichen Medien und setzen sie auf der Bühne neu zusammen. So ist die Eröffnungsproduktion «La mélancolie des dragons» der französischen Truppe «Vivarium Studio» (19. und 20. November) von einem Dürer-Stich ebenso inspiriert wie von Hardrock- und Mittelalter-Kompositionen.

Genauso experimentierfreudig ist die Arbeit «relief» der dänischen Truppe «Hotel Pro Forma» (1. und 2. Dezember). «Das Publikum trägt Kopfhörer, die Schauspieler agieren in einem Studio, und das Ganze wird über ein Blue-Box-System übertragen», sagt Broszat. «Das ist eine Mischform aus Fernsehtechnik und Theater.»

Überhaupt steht das diesjährige Festival im Zeichen des Films. Mit Blick auf die zahlreichen Produktionen, die Filmelemente verwenden, sagt Broszat: «Man könnte sich die Frage stellen, ob Film eine Art Gedächtnisspeicher für das Theater ist.» So spielt die Schweizer Gruppe «Far A Day Cage» die Filme der «Pate»-Trilogie nach (1. und 2. Dezember). Die deutsch-britischen Performer «Gob Squad» versuchen, alte Andy-Warhol-Filme zu rekonstruieren und damit das Lebensgefühl der 60er Jahre in New York wieder aufleben zu lassen (4. und 5. Dezember).

Neben seinem Ruf als innovativer Medien-Mixer gilt das Festival auch als Talentplattform. «Für mich war 'Spielart' ein wichtiges Sprungbrett», sagt beispielsweise Stefan Kaegi von dem bekannten Theaterkollektiv «Rimini Protokoll». «Es ist ein Festival, das sich nicht davor scheut, neuen Formaten eine Chance zu geben und dafür die richtige Produktionsstruktur auf die Beine zu stellen.»

Bisher war Kaegi drei Mal bei «Spielart» zu Gast, zuletzt 2007 mit der Inszenierung «Soko Sao Paulo», die er zusammen mit der argentinischen Regisseurin Lola Arias inszeniert hat. Dabei wanderten die Zuschauer durch ein Haus, und in den verschiedenen Stockwerken erzählten Polizisten aus Brasilien und München von ihrem Alltag.

Mittlerweile inszeniert Kaegi an großen Schauspielhäusern, und Lola Arias ist nun mit einer eigenen Produktion innerhalb des Argentinien-Schwerpunkts bei «Spielart» zu sehen. Nachwuchsförderung ist expliziter Teil des Festivalkonzepts: Innerhalb des Mentorenprogramms «Connections» schlugen sechs etablierte Künstler junge Kollegen vor, deren Produktionen nun bei «Spielart» uraufgeführt werden.

«Diese Kontinuität ist den Festivalleitern Tilmann Broszat und Gottfried Hattinger zu verdanken, die sich nicht wie so viele andere im Festivalzirkus alle drei Jahre von einem Posten zum anderen weiterhangeln», sagt Kaegi.
 

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