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Stelzenfestspiele bei Reuth

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In Stelzen bei Reuth starten heute die 10. Stelzenfestspiele. Dabei musizieren Musiker des Gewandhauses Leipzig und Bewohner des kleinen Thüringer Dorfes gemeinsam mit nicht alltäglichen Instrumenten wie Heuwendern, Mähbindern und Sensen.

mdr - Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit: Die 150-Seelen-Gemeinde Stelzen veranstaltet praktisch ohne Subventionen ein dreitägiges Musik-Festival mit namhaften Virtuosen aus dem In- und Ausland. Dazu spielen nicht weniger als 80 Musiker des Gewandhausorchesters. Künstler, die in den großen Konzertsälen der Welt zu Hause sind, gastieren freiwillig in einer Dorfscheune. Andererseits lauschen Menschen, denen die volkstümliche Hitparade näher steht als die hehre Klassik, der Musik von Mozart, und Haydn, Bach und Telemann.
Zu Wege gebracht hat dies erstmals 1993 der Gründer und gute Geist der Festspiele Henry Schneider, Bratscher im Gewandhausorchester und gebürtiger Stelzener mit viel Phantasie, Idealismus und Überzeugungskraft. Die Idee zu einer "Landmaschinensinfonie" kam ihm, als er eines Tages aus dem Fenster seines Hauses schaute und auf dem Feld einen Traktor arbeiten sah. "Wenn man auf dem Land wohnt, kommen einem halt solche Gedanken", meint er. Erwin Stache, seines Zeichens freier Klangkünstler, arbeitet seit 1990 mit Schneider zusammen: "Henry Schneider hat 1989 für das Tanztheaterprojekt ´Pas de Triangle´ einen Klangkünstler gesucht und traf dabei auf mich."

Stache zeichnete dem Schlosser Henning Wurlitzer seine Ideen für ein neues Landmaschinen-Instrument auf. "Das findet meist in der Kneipe statt und deshalb sind das in der Regel immer Bierdeckelkonstruktionen, die ich mir dann in die Werkstatt hänge und nach denen dann die Maschinen zu Instrumenten umgebaut werden", erklärt Henning Wurlitzer. Stefan Kühne ist der Mann, der den Musikern den Maschinenpark der "Güterverwaltung Rothenacker" jedes Mal zur Verfügung stellt. Er studierte einst in Halle an der Martin-Luther-Universität Agrarwissenschaften. Er versichert, abgesehen von den Oldtimern seien die Maschinen nach der Aufführung wieder voll einsatzfähig.

Sinfonie bedeutet ursprünglich Zusammenklang. Das lässt sich in Stelzen durchaus auf das Publikum erweitern. Schließlich haben die Einheimischen genau so viel Spaß an der Sache wie die Intellektuellen aus der Stadt. Riesengaudi gibt es jedesmal auch beim traditionellen Fußball-Vergleich der Stelzener Orts-Auswahl gegen die Kicker vom Gewandhaus.

Alle Künstler treten ohne Gage auf. Dazu kommt das Engagement praktisch der gesamten Einwohnerschaft, das den Festspieltagen diesen besonderen Charme verleiht: Bauersfrauen kredenzen im Spritzenhaus der Feuerwehr selbstgebackenen Kuchen. Der Wirt öffnet sein Wohnzimmer, als die Gaststube zu klein wird für all die hungrigen Festspielbesucher. Seine Scheune als Konzertsaal zur Verfügung zu stellen, ist Ehrensache. Als doch einmal jemand Miete dafür haben will, findet sich eine andere Spielstätte.

Quelle: http://www.mdr.de/kultur/musik/786057.html

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