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Wallfahrt zum Meister - Karlheinz Stockhausen veranstaltet jährlich Kurse, um das Wissen um seine Musik weiter zu geben. Am 22. August wird er 75 Jahre alt.
Kürten (ddp-nrw). Es war ein bisschen wie ein Klassentreffen. Für das Eröffnungskonzert waren all jene Musiker angereist, die bereits vor sechs Jahren bei der ersten Ausgabe der Stockhausen-Kurse teilgenommen hatten. Diese Kurse finden seitdem alljährlich in Kürten im Bergischen Land statt und wenden sich an Profis und Amateure aus über 25 Ländern, die sich eine Woche lang mit der Musik von Karlheinz Stockhausen intensiv beschäftigen wollen.Bis Sonntag dauern die diesjährige Stockhausen-Kurse - und sie werfen einen Blick voraus auf Stockhausens 75. Geburtstag am 22. August. Die Seminare, Konzerte und Vorträge werden zumeist von Stockhausen selbst geleitet. Aus aller erster Hand erfahren die Teilnehmer Erstaunliches über einen zeitgenössischen Komponisten, der zweifellos der bedeutendste seiner Generation ist.
Dass gerade das beschauliche Kürten einmal im Jahr zum Nabel der Stockhausen-Fans wird, hat einen praktischen Grund. Hier hat der unermüdliche Komponist jene Ruhe und Abgeschiedenheit, um sein monumentales Musiktheater-Projekt «Licht» zu vollenden. Und von Kürten aus erreicht Stockhausen dennoch leicht sämtliche Musik-Metropolen der Welt, in die er seit fast einem halben Jahrhundert regelmäßig eingeladen wird.
Denn Stockhausen hat nicht nur in der zeitgenössischen Musik entscheidende Weichen gestellt, als er in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts mit elektronischen Klängen experimentierte. Beispielsweise in Kompositionen wie «Studien I & II» und «Gesang der Jünglinge», die längst Klassiker der Moderne sind. Stockhausen hat auch in der Pop-Musik seine Spuren hinterlassen. Auf dem Cover des berühmten Beatles-Albums «Sergeant Pepper» ist er verewigt, er diskutiert mit der isländischen Sängerin Björk und wird geradezu als Gründungsvater der Techno-Bewegung gefeiert.
Leicht hat es Stockhausen gerade seinen langjährigen Weggefährten nie gemacht. Viele Kollegen aus alter Zeit stößt Stockhausen mit seinem eher konservativen Denken ab, das sich besonders in dem Zyklus «Licht» widerspiegelt. Dieses für die sieben Wochentage komponierte Projekt, das mittlerweile vor dem Abschluss steht, ist eine Art kosmologisches Welttheater als Sinnbild des Göttlichen.
Auch in der breiten Öffentlichkeit ist Stockhausen vor zwei Jahren in Ungnade gefallen. Das Terror-Attentat auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 kommentierte Stockhausen mit den Worten: «Was da geschehen ist, ist das größte Kunstwerk, das es je gegeben hat.» Die Empörung war groß, Stockhausen wurde bei Festivals wieder ausgeladen.
Dennoch ist der Komponist mit seinem Reizpotential eine der faszinierendsten Musiker-Gestalten des 20. und 21. Jahrhunderts. Er ist nicht nur mit seinem Verlag äußerst produktiv, in dem er seine Aufnahmen, Bücher und Partituren herausbringt. Stockhausens Willen, «mit \'Licht\' eine kosmologische Komposition zu schreiben, die der Wahrheit von jetzt und ewig entspricht», scheint unerschöpfliche Kräfte bei ihm freizusetzen. Weshalb er schon jetzt seine Stockhausen-Kurse bis ins Jahr 2028 vorausgeplant hat. Pünktlich zu seinem 100. Geburtstag.
Guido Fischer
http://www.stockhausen.org