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Frust im Wanderzirkus - Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks sucht eine Bleibe - Königliche Hofreitschule im Gespräch
München (ddp-bay). Die Musiker des BR-Symphonieorchesters sind Reisestress gewöhnt. Mehrmals im Jahr geht der renommierte Klangkörper auf Tournee: Jeden Tag ein Gastspiel in einer anderen Stadt, das schlaucht. Dass die Reise-Unbilden dann aber auch im heimatlichen München kein Ende nehmen, frustet die Musiker zunehmend. Denn im Gegensatz zu den beiden anderen Spitzenorchestern der bayerischen Metropole, den Münchner Philharmonikern und dem Staatsorchester, verfügt das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BR) über keinen eigenen Konzertsaal oder eigene Probenräume.So vagabundieren die Streicher und Bläser und auch die Schlagzeuger mit ihren sperrigen Instrumenten durch die Münchner Konzerthäuser: die Philharmonie, das Prinzregententheater und den Herkulessaal. «Wir sind natürlich nicht zufrieden mit diesem Zustand», klagt BR-Hörfunkdirektor Johannes Grotzky, zu dessen Hoheitsbereich die Klangkörper gehören. Der «Wanderzirkus» sei nicht nur eine Quelle ständiger Unruhe, sondern auch ein beträchtlicher Kostenfaktor. Neben den Saalmieten schlage allein der Transport des gesamten Instrumentenbestandes bei jedem Konzert mit etwa 5000 Euro zu Buche.
Seit ein paar Monaten aber ist Bewegung in die leidige Angelegenheit gekommen. Nicht erst, seit der neue Chefdirigent Mariss Janson anlässlich der Vertragsunterzeichnung öffentlich darüber räsonierte, wie wichtig ihm und seinem künftigen Orchester ein eigenes Zuhause sei. Unter der Hand wurde darüber spekuliert, ob Jansons einen neuen Saal vielleicht sogar zur Bedingung für sein Antreten in München gemacht habe. Dem widerspricht allerdings Grotzky vehement. Es gebe keine derartige Zusicherung seines Hauses.
Schon im Februar war Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) mit der Idee vorgeprescht, die alte königliche Hofreitschule hinter der Staatsoper, zurzeit Kulissendepot fürs Bayerische Staatsschauspiel, zum Konzertsaal umzubauen. Entsprechende Pläne, die vorsehen, hinter dem Marstall einen neuen Saal zu bauen und den historischen Gebäudetrakt als Foyer zu nutzen, hatte auf Bitte des BR der Münchner Architekt Stephan Braunfels vorgelegt, Schöpfer der hoch gelobten Pinakothek der Moderne, die gerade eröffnet wurde. Dem Vernehmen nach findet auch Kunstminister Hans Zehetmair (CSU) durchaus Gefallen an den Plänen. Öffentlich verlautet zurzeit aber nur Rudimentäres. Es gebe «Gespräche» zwischen den zuständigen Häusern um die künftige Nutzung des Marstall-Gebäudes, verrät Zehetmairs Sprecherin Angelika Kaus. Das Finanzministerium hält sich ebenfalls bedeckt.
Derweil wird noch eine weitere Möglichkeit erörtert: ein Umbau des Herkulessaals. Der architektonisch und akustisch durchaus verbesserungsbedürftige Saal in der Münchner Residenz müsse in nächster Zeit ohnehin saniert werden, sagt Grotzky. Da könne man auch gleich an eine umfassende Neugestaltung und Erweiterung denken. Dem BR lägen mehrere Architekturstudien vor, die von einer Vergrößerung des Zuschauerraums von derzeit 1200 auf bis zu 1700 Sitzplätze ausgingen. In angrenzenden Wirtschaftsräumen könnten Probenräume für die Musiker untergebracht werden.
Für München würde die Sanierung des Herkulessaals, der an einen überdimensionierten Schuhkarton erinnert, sicher einen Gewinn darstellen. Der große Wurf wäre er aber wohl nicht, den böte zurzeit wohl nur der Marstall. Braunfels plädiert vehement dafür, einen der schönsten historischen Säle in München nicht auf Dauer lediglich als Depot oder Experimentierbühne zu nutzen. Außerdem fehle in München nachweislich ein mittelgroßer Saal mit etwa 1800 Plätzen nebst hervorragender Akustik. Diese Marktlücke gelte es zu füllen, auch angesichts der Veränderungen auf dem klassischen Veranstaltungsmarkt, sagte Braunfels im ddp-Interview.
Die Frage ist nun, ob sich Geldgeber für den Umbau des Marstalls zur neuen Symphoniker-Heimat finden würden. Die sporadisch gleichfalls diskutierte Möglichkeit, das alte Odeon am Odeonsplatz wiederzubeleben, scheint derzeit keine Rolle mehr zu spielen. Der ob seiner Akustik gerühmte Saal war im Krieg zerstört worden. Heute residiert dort das Innenministerium. Ein Wiederaufbau des 900-Plätze-Auditoriums wäre wohl nur als Kammermusiksaal denkbar. Es ist allerdings mehr als zweifelhaft, ob die Beamten den schönen Klenzebau jemals wieder räumen wollen.
Georg Etscheit