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«Turandot» im Münchner Olympiastadion

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«Geschenk des Himmels» - Gigantische Oper «Turandot» im Münchner Olympiastadion - 300 Bühnenarbeiter schwitzen unter Zeitdruck


München (ddp-bay). Das altehrwürdige Münchner Olympiastadion ist derzeit kaum wiederzuerkennen. Drei Tage vor der größten Opernproduktion aller Zeiten sieht es dort aus wie auf einer Großbaustelle. Überall wuseln fleißige Arbeiter umher, hämmern, klopfen und bohren. Plastikplanen liegen herum, und Kisten türmen sich auf dem Spielfeld, von dem praktisch nichts mehr zu sehen ist. Das Bühnenbild für Puccinis Oper «Turandot», die Originalkulisse der berühmten «Verbotenen Stadt», nimmt aber langsam Gestalt an. Man fühlt sich schon jetzt ins Reich der Mitte versetzt.

Tobias Kühnel, Chef der Produktion, erklärt die Bauten auf der 170 Meter breiten Bühne, die allein schon mehr als 200 Tonnen wiegt. Er schwärmt von Pavillions, die auf Schienen fahren und von beweglichen Treppen, in denen die Darsteller verschwinden. «40 Container waren nötig, um das alles von der Europapremiere in Paris hierher zu schaffen», sagt Kühnel und schaut stolz in die Gesichter der staunenden Journalisten. Damit übertreffe man selbst die Konzerte der Rolling Stones. Seine mehr als 300 Männer leisten seit dem 8. Juni täglich Schwerstarbeit.

Eine der Bühnen an der «Chinesischen Mauer» ist 14 Meter hoch. Das sei für die Darsteller eine echte Herausforderung. «Höhenangst darf man hier nicht haben», sagt Kühnel. Die rund 200 engagierten Statisten aus München und Umgebung konnten während einer Unterbrechung der Bauarbeiten ausprobieren, ob sie die Treppe unfallfrei herunterkommen.

Das schweren Lichtmasten über der Bühne werden von zwei 250 Tonnen schweren Kränen gehalten. Außerdem sorgen Generatoren dafür, dass die Stromleitungen des Olympiastadions nicht überlastet werden. «Sonst würde hier am Samstag das Licht ausgehen», prophezeit der Produktionsleiter.

In der alten Radhalle des Stadions ist die Garderobe der Produktion untergebracht. Hunderte der farbenprächtigen Kleider hängen an den Ständern, auf dem Boden stehen lange Reihen von historischen Helmen und anderen Kopfbedeckungen. Hier kommen zum ersten Mal auch die Dolmetscher zum Einsatz, um die Fragen der Presse zu beantworten. Insgesamt zwölf Übersetzer stellen die Kommunikation in der Truppe sicher - rund 70 der 500 Mitwirkenden kommen aus China.

«Eigentlich sprechen wir alle Englisch hier - aber für die Chinesen haben wir extra einen eigenen Funkkanal eingerichtet», erklärt Produktionschef Kühnel. Für die Zuschauer gibt es zwei Videowände, auf denen unter anderem die deutschen Untertitel der italienisch gesungenen Oper eingeblendet werden.

Das ist vor allem für Olympiapark-Chef Wilfried Spronk wichtig: «Wir wollen auch die Zuschauer anlocken, die sonst nicht in die Staatsoper gehen.» Über den Dresscode für den Abend brauche sich niemand den Kopf zu zerbrechen. «Auch in Paris sind die Besucher in Jeans und T-Shirt gekommen», sagt Spronk.

Die Produktionskosten belaufen sich auf gewaltige 1,5 Millionen Euro, aber Olympiapark-Chef Spronk ist sicher, dass zum Schluss eine «schwarze Null» herauskommt. Die Veranstaltung sei vor allem wichtig für das Prestige und die weitere Nutzung des Stadions. «Solch eine Aufführung im ersten Jahr nach dem Abschied des Fußballs zu haben, ist doch ein Geschenk des Himmels», sagt Spronk.

Puccinis große Oper und Liebesgeschichte mit der weltberühmten Arie «Nessun dorma!» soll eigentlich bis zu 32 000 Zuschauer anlocken. Bisher sind den Angaben zufolge aber erst rund 25 000 Tickets verkauft. Der Vorverkauf habe aber in den vergangenen Tagen «angezogen», heißt es. Die Karten kosten zwischen 28 und 153 Euro.

Was das Wetter angeht, sind die Veranstalter Berufsoptimisten. 60 Prozent der Plätze sind überdacht. Sollte es richtig stürmen, werde die Oper auf Sonntag verlegt. «Aber die Prognosen für Samstag werden von Tag zu Tag besser», gibt sich Spronk zuversichtlich. Um die von Star-Regisseur Yimou geplanten Lichteffekte voll zur Wirkung kommen zu lassen, hat man sich entschieden, den Beginn um eine halbe Stunde auf 20.30 Uhr zu verschieben.

Auch Star-Regisseur Zhang Yimou freut sich auf die «Turandot»-Opernaufführung im Olympiastadion. Der mehrfach für den Oscar nominierte Regisseur fügt hinzu: «Für die Zuschauer wird es ein Genießen für die Sinne.» Da strahlt auch Stadion-Chef Spronk: «Der Olympiapark lebt weiter.»

Arno Siegemund
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