Johann Sebastian Bachs Lebensweg führte ihn nie nach Stuttgart. Und doch ist die Stadt im deutschen Südwesten seit nunmehr 40 Jahren eines der weltweit bedeutendsten Zentren der Bach-Pflege. Die hier am 16. November 1981 gegründete Stiftung Internationale Bachakademie Stuttgart hält das Musikerbe J.S. Bachs, seiner Zeitgenossen, Vorgänger und Nachfolger durch Veranstaltungen und Vermittlung, Unternehmertum, Ausbildung und Forschung lebendig. Auf den aus Stuttgart stammenden Gründungsvater Helmuth Rilling, der Bachs Musik im Dienste der Völkerverständigung in die Welt trug, folgte in der Akademieleitung 2013 der aus Dresden gebürtige Dirigent Hans-Christoph Rademann, der Chor und Orchester der Bachakademie zu einem anerkannten Originalklangensemble umgeformt hat.
Während der deutschen Teilung gegründet als theologischer Gegenpol zum Bach-Archiv in Leipzig, unterhält die Bachakademie heute freundschaftliche Beziehungen zu dieser und vielen weiteren Bach-Institutionen in Deutschland und der Welt, von denen manche ihre Wurzeln in den seinerzeit international durchgeführten Akademien haben.
Ihren Sitz hat die Bachakademie seit 1984 am vom damaligen Oberbürgermeister Manfred Rommel zum Einzug so benannten Johann-Sebastian-Bach-Platz im Stuttgarter Westen. Der Gründerzeitbau beherbergt neben Büros einen Konzertsaal mit 200 Plätzen und ein bedeutendes, öffentlich zugängliches Forschungsarchiv. Unter den Editionsleistungen der Akademie seien exemplarisch die Schriftenreihe der Bachakademie mit dem 2020 abgeschlossenen 4-bändigen "Bach-Kommentar" von Martin Petzold genannt sowie die 172 CDs der im Jahr 2000 vollendeten, weltweit ersten Gesamteinspielung der Werke J.S. Bachs durch Helmuth Rilling. Unter dem Dach des Hauses Bachakademie beheimatet sind außerdem das Stuttgarter Kammerorchester und das Kompetenzzentrum Kulturelle Bildung und Vermittlung Baden-Württemberg.
Besonderes Augenmerk legt Akademieleiter Hans-Christoph Rademann auf die Musik-Vermittlung für Kinder und Jugendliche, und zwar nicht, um das Publikum für Morgen heranzuziehen, sondern in der Überzeugung, dass kulturelle Bildung auch Persönlichkeitsbildung und damit systemrelevant ist. "BachBewegt!" heißt das Programm der Bachakademie, wodurch in den letzten acht Jahren schon 2500 Schülerinnen und Schüler tanzend, singend und im Konzertsaal Zugänge zur Musik gefunden haben.
Während die Bachakademie unter Helmuth Rilling vor allem inhaltliche Zugänge zur Musik eröffnete, verfolgt sein Nachfolger Hans-Christoph Rademann konsequent die Ausbildung eines Originalklangensembles und die Ausprägung eines "Stuttgarter Bachstils". Ein Barockorchester und ein handverlesener Chor bilden zusammen die 2016 wieder- und neugegründete "Gaechinger Cantorey". Sie ist das Ensemble der Bachakademie, deren künstlerische Arbeit auf zahlreichen CDs dokumentiert ist. Klangliches Zentrum sind zwei eigens in Auftrag gegebene Nachbauten von Originalinstrumenten des berühmten Instrumentenbauers und Bach-Zeitgenossen Gottfried Silbermann. Die Truhenorgel gehört seit 2016 zum Ensemble, das Cembalo fand erst kürzlich nach einer abenteuerlichen Reise aus der Werkstatt in Sotschi über Moskau, St. Petersburg, Estland und Polen seinen Weg nach Stuttgart.
Ihre Jubiläumsspielzeit 2021/22 eröffnet die Bachakademie mit der "Schöpfung", was man gerne auch metaphorisch verstehen darf. Es gibt drei Aufführungen von Haydns Oratorium im Ludwigsburger Forum am Schlosspark (22. Oktober, 20 Uhr) und in der Stuttgarter Liederhalle (24. Oktober, 19 Uhr), eine davon ausdrücklich für Kinder (23. Oktober, 17 Uhr, Liederhalle Stuttgart).