Body
Peenemünde (ddp-nrd). Im Turbinensaal des Kraftwerks der ehemaligen Heeresversuchsanstalt Peenemünde hebt sich am Sonntag zum ersten Mal der Vorhang eines neuen Theaters. Zur Premiere der Usedomer Spielstätte stehen Darsteller aus Anklam und Schauspielstudenten aus Zinnowitz auf der Bühne. Gezeigt wird Bertolt Brechts Schauspiel «Schweyk im Zweiten Weltkrieg», ein politisches Satire-Drama in Anlehnung an das berühmte Buch von Jaroslav Hasek.
Wegen seiner Vergangenheit als nationalsozialistisches Zentrum der Raketenforschung sei Peenemünde von jeher ein Ort mit großer politischer Wirkung, sagt der Intendant der Vorpommerschen Landesbühne Anklam, Wolfgang Bordel: «Mit unserem Projekt wollen wir nun gegen rückwärts gewandte Mythenbildung einen kulturpolitischen Raum für Geschichten von heute und morgen schaffen.» In der Kulturszene Mecklenburg-Vorpommerns fand Bordel viele Partner. Nicht nur das Usedomer Musikfestival, das schon in den vergangenen Jahren mehrfach zu international beachteten Konzerten in den stillgelegten Maschinensaal lud, gehört zu den Unterstützern des ambitionierten Usedomer Saisontheaters. Auch das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin, die Theaterakademie Zinnowitz, die Theater und Orchester GmbH Neubrandenburg/Neustrelitz und das Theater Vorpommern stiegen in das Projekt ein und verpflichteten sich zu regelmäßigen Gastspielen im Usedomer Inselnorden. Und auch das Historisch-Technische Museum Peenemünde erhofft sich von dem Kulturbetrieb, der nur vordergründig nichts mit dem Museum zu tun hat, eine Aufwertung.
Im Mittelpunkt des von Juli bis Anfang September jeweils mittwochs, freitags und sonntags dargebotenen Programms stehen fast ausnahmslos politisch geprägte Stücke mit aktuellem Bezug. Dazu gehören das Musik-Drama «Der Konsul», eine Koproduktion der Theater Vorpommern und Hof, und das Schauspiel «Mein Kampf» von Georg Tabori, in dem Schauspieler und Musiker aus Neubrandenburg und Neustrelitz auftreten. Zum Angebot, mit dem die Theatermacher nicht nur Urlauber erreichen wollen, zählen ferner Johann Wolfgang von Goethes «Urfaust», Georg Büchners «Woyzeck», August Strindbergs «Fräulein Julie» sowie das Stück «Medea - mit den Wölfen gewandert», mit dem das fränkische Turmalin-Theater Weingarts gastiert.
Musikalisch orientiert sich das Programm an Werken von Komponisten, die von den Nazis als entartete Künstler abgestempelt wurden und in Konzentrationslagern oder im Warschauer Ghetto ums Leben kamen. In Kooperation mit dem seit 2001 international veranstalteten Wettbewerbsprojekt «Verfemte Musik Schwerin» werden in diesem Sommer das Klavierduo Haufe und Ahmels, die Sopranistin Katrin Burghardt und die Pianistin Annika Treutler aus Rostock sowie das Bennewitz-Quartett aus Prag wiederentdeckte Werke verfolgter Komponisten vorstellen. Präsentiert wird unter anderem Musik von Leo Smit, 1943 im KZ Sobibor ermordet, von Erwin Schulhoff, 1942 im KZ Wülzburg gestorben, und des französisch-polnischen Komponisten Alexandre Tansman, der nach Amerika emigrieren konnte. Im komplett umgebauten Turbinensaal können bis zu 1000 Sitzplätze eingerichtet werden. Das Deutsche Theater Peenemünde soll künftig einen festen Platz im alljährlichen sommerlichen Kulturbetrieb auf Usedom einnehmen.