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Vorschau: 9. Münchener Biennale

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Harte Kost für geübte Hörer - Die 9. Münchener Biennale bietet allein fünf Opern-Uraufführungen vom 12. bis 28. Mai

München (ddp-bay). Zeitgenössische Opern führen immer noch ein Schattendasein auf den Spielplänen deutscher Musentempel. Neben den Klassikern von Verdi, Wagner, Strauss und Co haben sich gerade mal die Zwölftonschöpfungen der zweiten Wiener Schule - Alban Bergs «Woyzeck» und Arnold Schönbergs «Lulu» - wirklich etabliert. Da gilt es immer noch als Wagnis, einem überwiegend konservativen Abonnentenpublikum Musiktheater der neuesten Zeit vorzusetzen. Wenn sich mal ein Helmut Lachenmann, ein Matthias Pintscher, ein Wolfgang Rihm in den Programmheften verirrt, ist das oft nicht viel mehr als eine Alibiveranstaltung nach dem Motto: Wir sind für alles offen ...

So kommt der von Altmeister Hans Werner Henze gegründeten Münchener Biennale auch in ihrer neunten Saison immer noch eine Sonderstellung zu. Innerhalb von nur zwei Wochen, vom 12. bis 28. Mai, werden heuer sage und schreibe fünf Opern-Uraufführungen zu sehen und zu hören sein. Dazu gibt es Komponistengespräche, einen Klavierabend, ein wissenschaftliches Symposium sowie ein Orchesterkonzert, das von Peter Ruzicka, dem künstlerischen Leiter der Biennale, dirigiert wird. «...in die Fremde» lautet das Motto der diesjährigen Biennale, bei der die vielgestaltigen Dimensionen dieses Begriffs ausgelotet werden sollen.

Dass moderne Opern vielen Musikfreunden fremd bleiben, mag nicht nur an mangelndem Kunstverstand oder fehlendem Sinn für Neues liegen. Oft sind es wohl auch die sperrigen, schwer verständlichen Kompositionen zeitgenössischer Klangschöpfer, die nur schwer ihren Weg zu Ohren und Herzen des Publikums finden. Harmonien, gar wohltönende Kantilenen findet man selten, sie gelten der Avantgarde nach wie vor als verdächtig. Stattdessen werden die Möglichkeiten der menschlichen Stimme bis zur Schmerzgrenze ausgereizt. Auch aus dem Orchestergraben wogen oft statt fließendem Melos multiple, elektronisch verfremdete Geräuschkulissen.

Auch die fünf Werke, die bei der 9. Münchener Biennale erstmals das Licht der Theaterwelt erblicken, versprechen in diesem Sinne harte Kost für geübte Hörer zu werden. Eröffnet wird die Biennale im Münchner Gärtnerplatztheater mit Johannes Maria Stauds Oper «Berenice» nach einer Horrorgeschichte von Edgar Allan Poe. Es ist die erste Oper des jungen Österreichers. Mit dem Klangforum Wien unter Stefan Asbury steht dem Projekt ein in Sachen zeitgenössischer Musik hoch erfahrenes Ensemble zur Seite. Staud ist Meisterschüler des britischen Neutöner-Altmeisters Brian Ferneyhough, dessen erste, lang erwartete Oper «Shadowtime» die Biennale beschließen wird. Ferneyhough, der zur Zeit in den USA an der renommierten Stanford University lehrt, beschäftigt sich mit Flucht und Freitod des von den Nazis verfehmten Kulturphilosophen und Schriftstellers Walter Benjamin.

In «fremde» chinesische Klangwelten entführt das Publikum Qu Xiao-song, dessen Werk «Versuchung» nach einem klassischen chinesischen Schauspiel gestaltet ist. Qu, der seine Liebe zur traditionellen chinesischen Musik während seiner Verbannung aufs Land zu Zeiten der Kulturrevolution entdeckte, verbindet die klassische Tonsprache seiner Heimat mit der westlichen Moderne. Dem Urmodell der antiken Rede, die den Abschied der Götter aus der Stadt so lange wie möglich hinauszögern sollte, geht die Oper «Cantio» des Litauers Vykintas Baltakas auf den Grund. Und der begeisterte Schachspieler Mark André, in Paris geborener Meisterschüler Lachenmanns, hat sich die Schachpartie zwischen Schachweltmeister Garry Kasparow und dem Computer «Deep Blue» zum Opernsujet erkoren.

Auch das kleine Konzertprogramm der Biennale kann mit einer Uraufführung aufwarten: Lachenmanns «Gridone» für Streichorchester. Biennale-Chef Ruzicka, selbst Komponist, Dirigent und Intendant der Salzburger Festspiele, wird das Werk mit den Münchner Philharmonikern erstmals einstudieren. Im Verlaufe der Biennale wird die Entscheidung erwartet, ob Ruzicka, der seinen Salzburger Vertrag nicht verlängert hat, in München auch nach der nächsten Biennale 2006 zur Verfügung steht. Einer positiven Entscheidung scheint wenig entgegenzustehen, zumal Kulturreferentin Lydia Hartl an dem versierten Allround-Musiker festhalten will. Und Ruzicka selbst würde ja nach seinem Abschied aus Salzburg wieder über freie Kapazitäten verfügen.

http://www.muenchenerbiennale.de
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