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Wenn jiddische Kultur jüdisch wird - Die Jiddische Musik- und Theaterwoche Dresden wird 15 Jahre alt

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Dresden - Am Sonntag beginnt das Festival "Jiddische Musik- und Theaterwoche". Seit fünfzehn Jahren findet es statt und seit fünf Jahren leitet Michael Rockstroh das Festival in Dresden-Neustadt. "Jüdische Kulturtage gibt es überall", sagt er. "Wir machen Welttheater hier zwei Wochen lang." Mit rund 50 Konzerten, Theaterstücken, Filmen und Lesungen von Künstlern aus Deutschland, den USA und Israel will der Organisator dieses Jahr die Besucher locken. Er erwartet wie im vergangenen Jahr etwa 4.000 Gäste - rund zehnmal mehr als 1996 bei der ersten "Jiddischen Woche".

Für den Gründer ist Klezmer ein Lebensgefühl

Das Jiddische - diese aschkenasische Kultur und wie ein deutscher Dialekt klingende Sprache der Ostjuden - hat es dem Gründer angetan. 1993 hatte der damalige Musikstudent Detlef Hutschenreuter sein "Aha-Erlebnis" in einem Workshop mit dem Klezmer-Klarinettisten Giora Feidman. Bei einer Schale Tee und umgeben von einem Saxofon und einer Buddha-Statue erzählt der Musiker mit den langen Locken, wie ihn Feidman für die jiddische Sprache, Kultur und Musik begeistert hat: "Klezmer ist mein Lebensgefühl, überschwenglich-wild und ungeheuer traurig. Das trifft zwei Nerven in mir."

Hutschenreuter gründete den "Rocktheater e.V." und fand dort Menschen, die sich auch für jiddisches Musiktheater interessieren. Mit ihnen organisierte er 1996 die erste "Jiddische Woche", wo er mit anderen Schauspielern und Musikern das Stück "Megille" zum jüdischen Purim-Fest aufführte.

Jüdische Gemeinde anfangs mit Vorbehalten

Die "Jiddische Woche" hat sich seitdem zum Geheimtipp für Liebhaber von Weltmusik und Judentum entwickelt und sich ein Stammpublikum erspielt. Nach 15 Jahren ist das Festival jedoch seinen Kinderschuhen entwachsen und steht vor der Herausforderung, professioneller, aber nicht kommerzieller zu werden, erzählt Festivalleiter Rockstroh: "Unsere Gäste und Künstler schätzen die herzliche, warme Atmosphäre. In Berlin ist das dagegen Big Business. Bei uns ist aber die Gefahr, dass manches ein bisschen unprofessionell daherkommt, wie unter Freunden."

Seit fünf Jahren akzeptierten auch Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Dresden die "Jiddische Woche" als ihre Kulturwoche. Im Zuge dessen habe aber das Jiddische die zentrale Rolle im Festival verloren, sagt Rockstroh. Denn viele der 700 jüdischen Gemeindemitglieder seien Zuwanderer und hätten Jiddisch und Klezmer als klischeehafte Folklore, aber nicht als wirklich jüdisch empfunden. Wohl auch deshalb soll das Festival vom nächsten Jahr an "Jüdische Woche" heißen.

"Man kann Antisemit sein und trotzdem gerne Klezmer hören", versucht Rockstroh die Sicht einiger jüdischer Gemeindeglieder schmunzelnd zu verstehen. "Dass die jüdische Gemeinde mittlerweile sagt, das ist unser Festival, war nicht selbstverständlich."

Auch die Neue Synagoge feiert Jubiläum

Selbst finanzieren kann sich das Festival jedoch noch nicht. Es ist weiterhin abhängig von seinen 65 privaten Spendern und den öffentlichen Geldern für Kulturförderung von der Stadt und den Fraktionen von SPD und Linkspartei. Das Festival im nächsten Jahr solle nicht mehr so viele Veranstaltungen anbieten, sich aber dafür stärker mit Görlitz vernetzen, sagt Rockstroh. Zu den diesjährigen Highlights zählt eine Aufführung des israelischen Nationaltheaters Habimah am 29. und 30. Oktober im Societaetstheater sowie ein jiddisches Rock´n´Roll-Konzert von der Band um Detlef Hutschenreuter am 31. Oktober in der Neuen Synagoge. Die hat auch sonst allen Grund zum Feiern: Sie wird diesen November zehn Jahre alt.

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