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Saitenwechsel - Wirtschaftsbosse lernen von der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen - Testlauf für neues Seminar
Bremen (ddp). Liebe, Leidenschaft und kraftvolle Klänge sollen Managern den Weg zur perfekten Teamarbeit öffnen. Das sieht so aus: Zwölf Geschäftsleute im grauen Anzug sitzen mittendrin im bunten Orchester der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, während dieses «El Amor Brujo» von Manuel De Falla probt. Dieses ungewöhnliche Bild ist Teil des bisher einmaligen Managementtrainings «Saitenwechsel», das die Bremer Musiker und ein Oldenburger Unternehmensberater gemeinsam ausgeheckt haben. Die ersten Wirtschaftsbosse haben jetzt an einem Testlauf teilgenommen, offiziell startet das Projekt voraussichtlich im kommenden Frühjahr.Bremer Kammerphilharmonie und Wirtschaft seien sich ähnlicher als man denkt, sagt Orchester-Geschäftsführer Albert Schmitt. Die Musiker sind selbstständig und Gesellschafter des Orchesters. Ihr Interesse am finanziellen Erfolg des Ensembles ist entsprechend groß. Das Orchester ist unternehmensähnlich strukturiert - und international erfolgreich.
Die Kammerphilharmonie setze auf Selbstorganisation, flache Hierarchien und die richtige Mischung aus Individualität und Teamgeist, sagt Schmitt. Diese Unternehmenskultur sollen Firmen hautnah erfahren und mit nach Hause nehmen. Im theoretischen Teil kommt an die Tafel, wie Pauken und Flöten im Orchester harmonieren, und dass es auch dort «Macher», «Wegbereiter» und «Perfektionisten» gibt. Bei einem Rundgang durch die Stimmproben beobachten die Manager, wie musikalische Teamarbeit in der Praxis aussieht. Im Praxisteil dürfen sie selbst dirigieren und ein kleines Stück erarbeiten.
Der Brückenschlag von Philharmonie zu Firma ist nicht ohne Dissonanzen. «Die haben doch die Noten vorliegen, wieso diskutieren die noch?», wundert sich ein Seminarteilnehmer. Ein anderer findet die Arbeitsweise der Musiker «unwirtschaftlich». Als die Manager zwischen Streichern und Bläsern Platz nehmen, lässt sich an vielen Mienen nicht ablesen, ob sie sich deplaziert oder wohl fühlen. Ein 34-jähriger Wirtschaftsingenieur ist indes begeistert, sucht nach ersten Parallelen: «Wir müssen auch bei uns überlegen, was ist der gemeinsame Klang für das Unternehmen.» Ihn beeindruckt und motiviert, dass «im Orchester alle Ergebnisse sofort spürbar sind, niemand kann sich verstecken, jeder schräge Ton fällt auf».
Für den Psychologen und Unternehmensberater Uwe Weinreich ist ein Managementtraining im Orchester «ideal». Er ist überzeugt: Wenn es gelingt, den Teilnehmern durch das Erleben eines perfektes Werkes «Schauer über den Rücken laufen zu lassen» - dann nehmen sie diese Erfahrung mit an ihren Arbeitsplatz. «Was hier trainiert wird, kann zwar auch im Unternehmen gelernt werden - passiert in der Regel aber nicht», sagt er.
Ob die Managerpioniere nach der Orchesterexkursion ein besseres Team sind, muss sich zeigen. Unberührt gelassen hat sie aber zumindest «El Amor Brujo» nicht: «Gibt es noch Karten für die Aufführung?» fragt ein Manager nach der Probe.
Nadine Emmerich
http://www.kammerphilharmonie.com