Regensburg - Aus bescheidenen Anfängen ist ein international renommiertes Festival geworden. 16 Konzerte mit Musik aus fünf Jahrhunderten innerhalb von vier Tagen an zehn historischen Orten - all das bieten die Tage Alter Musik an Pfingsten in Regensburg. Bei der 32. Auflage des Festivals führen vom 13. bis 16. Mai die Regensburger Domspatzen und das L'Orfeo-Barockorchester aus Österreich Joseph Haydns «Missa in tempore belli» auf, die als Paukenmesse besser bekannt ist.
Das Tiburtina-Ensemble gibt geistliche Musik zum Besten, wie sie am Prager Hof des kunstsinnigen Wenzeslaus II. gepflegt wurde. Die spanische Instrumentalgruppe La Ritirata musiziert Tänze am Hof von Neapel im 17. Jahrhundert. Solokantaten und Konzerte von Johann Sebastian Bach und Georg Philipp Telemann interpretiert das norwegische Orchester Barokkanerne. Dresdner Kammerchor und Barockorchester führen die Psalmen Davids von Heinrich Schütz auf. Das luxemburgische Gambenconsort L'Achéron spielt englische Tanzmusik der Renaissance.
Barocke Orchesterwerke erklingen von einem Ensemble der Europäischen Union, in dem Musiker aus zahlreichen EU-Mitgliedsstaaten vertreten sind. Werke franko-flämischer Komponisten des 15. Jahrhunderts interpretiert das US-amerikanische Vokalensemble Cut Circle.
Das Festival endet mit dem selten aufgeführten Werk des wenig bekannten englischen Mozart-Zeitgenossen Thomas Linley. Begleitet werden die Tage Alter Musik von einer Verkaufsausstellung mit Nachbauten historischer Instrumente.
Alte-Musik-Festivalgründer: Entdeckerdrang noch immer ungebrochen
Interview: Paul Winterer, dpa
Alte Musik immer wieder neu entdecken - das ist der Antrieb für Ludwig Hartmann, seit mehr als 30 Jahren eines der international renommiertesten Festivals der historischen Aufführungspraxis in Regensburg zu organisieren. «Die Alte-Musik-Szene ist so lebendig und vielfältig und unser Entdeckerdrang noch immer ungebrochen», sagte der 58-Jährige im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Es sei vielmehr so, «dass wir unsere Ideen oft den finanziellen und personellen Möglichkeiten des Festivals anpassen müssen». Zusammen mit seinem Schulfreund Stephan Schmid und Geschäftsführer Paul Holzgartner stellt Hartmann die immer an Pfingsten stattfindenden Tage Alter Musik auf die Beine.
Frage: Wie gelingt es einem so kleinen Team von gerade einmal drei Leuten jedes Jahr aufs Neue, die führenden Ensembles der Alte-Musik-Szene nach Regensburg zu holen?
Antwort: Unser Antrieb ist die Begeisterung für Alte Musik, die schier unendliche Lust am Entdecken und der Reiz, an vier Festivaltagen die große Bandbreite von etwa 800 Jahren Musikgeschichte in den wunderbaren historischen Sälen und Kirchen der Weltkulturerbestadt Regensburg in exemplarischen Konzerten abzubilden. Weil unsere finanziellen Möglichkeiten nicht groß sind, muss die Organisationsstruktur so schlank wie möglich sein. Im Prinzip machen wir nahezu alles, was an Arbeit im Zusammenhang mit dem Festival anfällt. Wir, das sind zwei Ehrenamtliche, Stephan Schmid und ich, die wir das Festival vor 32 Jahren gegründet haben, und Paul Holzgartner, den wir vor 17 Jahren als Geschäftsleiter engagiert haben.
Frage: Wie entdecken Sie noch weniger bekannte Solisten und Ensembles, denen nicht selten nach ihrem Regensburg-Debüt international der Durchbruch gelingt?
Antwort: Da gibt es verschiedene Wege. Zum einen bekommen wir tagtäglich unglaublich viele Bewerbungen zugeschickt, zum anderen beobachten wir ganz intensiv die weltweite Szene der Alten Musik und verfolgen die Entwicklungen auf dem Tonträger- und Videomarkt. Dabei ist unsere jahrzehntelange Erfahrung durchaus hilfreich.
Frage: Auch programmatisch erfinden sich die Tage Alter Musik immer wieder neu. Gehen Ihnen nach 32 Jahren nicht allmählich die Ideen aus?
Antwort: Nein, überhaupt nicht. Die Alte-Musik-Szene ist so lebendig und vielfältig und unser Entdeckerdrang noch immer ungebrochen. Es ist eher so, dass wir unsere Ideen oft den finanziellen und personellen Möglichkeiten des Festivals anpassen müssen.
Frage: Es gibt mittlerweile an vielen Orten Konzertreihen, die sich der mustergültigen Interpretation alter Musik widmen. Was ist das Besondere am Regensburger Festival?
Antwort: Die Besucher können konzentriert an vier Festivaltagen intensiv in eine Musikwelt eintauchen, die etwa 800 Jahre Musikgeschichte umfasst der unterschiedlichsten Genres, sei es Vokal- oder Instrumentalmusik, sei es geistliche oder weltliche Musik. Sie bekommen dabei eine hohe Qualität geboten von herausragenden Spezialisten-Ensembles. Dazu kommt das historische Ambiente der Kirchen und Säle, und niemand braucht ein Auto, weil alle Konzertorte fußläufig erreichbar sind. Nicht zu unterschätzen ist auch die Begegnung mit Gleichgesinnten in den Konzerten und danach.
Frage: Vor wenigen Wochen starb mit Nikolaus Harnoncourt einer der Pioniere der historischen Aufführungspraxis. Hat er Ihre Entscheidung Mitte der 1980er Jahre beeinflusst, mit bescheidensten Mitteln das Festival in Regensburg zu wagen?
Antwort: Indirekt vielleicht, weil ich in meiner Jugendzeit als Knabensopran der Regensburger Domspatzen mit Harnoncourt die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach auf Schallplatte aufnehmen durfte. Das war höchst beeindruckend, wie er Musik erklärt und gemacht hat, und hat sicherlich bei mir das Interesse für die historische Aufführungspraxis schon in jungen Jahren geweckt.
Frage: Ist Harnoncourt jemals bei den Tagen Alter Musik in Regensburg aufgetreten?
Antwort: Nein, das hat sich nicht ergeben.
Frage: Werden Sie auch noch bei der 50. Auflage der Tage Alter Musik ganz vorne mitmischen?
Antwort: Das hoffe ich.
ZUR PERSON: Ludwig Hartmann (58) ist studierter Schulmusiker und Oboist. Er unterrichtet an einem Gymnasium nahe München. Zudem konzertiert er mit Orchestern im süddeutschen Raum.