Wettbewerbe für den künstlerischen Nachwuchs stellen in der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar einen gewichtigen Höhepunkt im Studienverlauf dar. Sie geben den Schülern ihres Hochbegabtenzentrums und ihren Studierenden Orientierung und Zielvorstellungen. Sie werden im jährlichen Wechsel ausgeschrieben für Geigenspieler und für Pianisten, entweder für Schüler und Jungstudenten bis 13 beziehungsweise 17 Jahre oder für Jungprofis bis Ende 20. Dass weltweite Maßstäbe gelten, dafür sorgen hochkarätige Jury-Gremien und ein herausforderndes Spielrepertoire.
Welchen Ruf die Weimarer Musikhochschule weltweit genießt, zeigen die Anmeldungen aus 22 Ländern rund um den Globus. Von den rund 50 teilnehmenden Pianisten kam ein Drittel aus europäischen Ländern (sieben aus Deutschland) angereist, fast ein weiteres Drittel aus China, der Rest aus aller Welt. Ähnlich international gemischt war auch die Jury unter dem Vorsitzenden des Weimarer Klavierprofessors Grigory Gruzman mit Justas Dvarionas aus Litauen, Andras Kemenes aus Ungarn, Elza Kolodin aus Polen, der armenischen Staatspreisträgerin Svetlana Navassardian, der St. Petersburgerin Nina Seregina und der Chinesin Xinning Zhang sowie als Begründer dieses Wettbewerbes der Weimarer Klavierprofessor Peter Waas. Erstmals war in diesem Klavierwettbewerb eine Junior-Jury eingeladen, Abgesandte aus den verschiedenen Musikgymnasien Berlin, Dresden, Rostock und Weimar – gleichaltrige Pianisten mit eigener Wettbewerbserfahrung, jetzt aber auf der „anderen Seite“ kritisch lauschend. Eine weitere Novität: Neben dem üblicherweise geforderten solistischen Repertoire aus verschiedenen Stilepochen lenkte dieser Wettbewerb auf kammermusikalisches Spiel. Man legte den Junior-Pianisten ein Klaviertrio von Mozart, den Senioren eines von Mendelssohn vor. Schüler des Musikgymnasiums spielten den Streicherpart dazu – wie sich zeigte, von den Kandidaten mit Eifer und vortrefflichem Einsatz angenommen, vom Publikum anerkennend quittiert. Alternativ erlaubte die Ausschreibung, sich mit einer Eigenkomposition oder mit einer Improvisation nach gegebenem Thema vorzustellen.
Einen Sonderpreis möchte man gerne dem Orchester des Musikgymnasiums Schloss Belvedere unter der Leitung des inzwischen in Weimar heimisch gewordenen Katalanen Joan Pagès Valls zedieren, das die zweimal drei Finalisten bei Haydns Klavierkonzert in D-Dur begleitete. In der Junior-Kategorie lagen die drei Finalisten mit ihrem kindlichen Charme und ausstrahlender Fröhlichkeit, an den Tasten zu einer ganz eigenen künstlerischen Persönlichkeit mutierend, so dicht beieinander, dass die drei Preise mit gutem Gewissen austauschbar erscheinen: Mit dem ersten Preis bedacht wurde die elfjährige Nordkoreanerin Sin A Ma, als zweite die in Düsseldorf geborene dreizehnjährige Yumeka Nakagawa, Jungstudentin in ihrer Heimatstadt und schon mehrfach bei Wettbewerben in Dortmund, Hamburg und Frankfurt ausgezeichnet. Im Schlusskonzert offerierte sie spritzig sprudelnde Scarlatti-Sonaten. Die Dritte, die zwölfjährige Chinesin Xinyue Gao, stellte mit Czernys Etüde op. 740/16 ihre rasante Fingerfertigkeit unter Beweis.
Für die Senior-Finalisten war Edvard Griegs Klavierkonzert mit dem im Abschlusskonzert um Musiker der Staatskapelle verstärkten Belvedere-Orchester ein anspruchsvoller Prüfstein. Hier geriet das Spiel zum ausgesprochenen Höhepunkt, souverän gestaltet von dem selbstsicheren 17-jährigen BBC-Preisträger Yuanfan Yang. Gebürtig in Edinburgh erweitert er derzeit in der exklusiven Chetham’s School of Music in Manchester sein künstlerisches Potenzial. In Weimar reüssierte er als der „King of the Keys“ wie zuvor im Dutzend bisher absolvierter Wettbewerbe, zudem ein Multitalent, das mit Eigenkomposition („The Haunted Bell“, die „Spuk-Glocke“) oder der Lust zu improvisieren auf sich aufmerksam macht. Den eindeutigen Abstand im Vorspiel der beiden anderen Finalisten löste die Jury damit, keinen zweiten, dafür zwei dritte Preise zu vergeben, und zwar an Alim Beisembayev, geboren 1998 in Kasachstan, jetzt betreut in der englischen Purcell School for Young Musicians, und an den 1997 in Ankara geborenen Türken Can Çakmur, offensichtlich in bester Obhut bei namhaften Klavierpädagogen in Belgien, Frankreich und in der Türkei.