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Die Dreigroschenoper. Von G.W. Papst
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Die Rückkehr des Mackie Messer

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Brecht/Weill und das Kino: filmische Dreigroschenopern
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Im September kommt ein Film in die Kinos, der sich um die „Dreigroschenoper“ dreht: „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ von Joachim Lang. In den Hauptrollen: Lars Eidinger als Bertolt Brecht und Robert Stadlober als Kurt Weill. Den Macheath verkörpert Tobias Moretti und Joachim Król gibt den Peachum. Joachim Langs Film erinnert manchmal an die beiden Lars-von-Trier-Filme „Dogville“ und „Mandalay“. Kein Wunder, denn Trier hatte sich in diesen Werken explizit auf Brechts „Verfremdungseffekt“ bezogen. Aber es soll hier nicht um den Lang-Film gehen, der gewissermaßen das „Making-of“ zeigt, sondern um die „Originale“: Erich Engels Theaterfassung der „Dreigroschenoper“ von 1928 und G. W. Pabsts Filmversion „Die Dreigroschenoper“.

Bereits 1927 hatte die Brecht-„Mitarbeiterin“ Elisabeth Hauptmann eine Rohübersetzung von John Gays „The Beggar‘s Opera“ angefertigt. Im März 1928 arbeitet Brecht an einer ers­ten Fassung, die er „Die Ludenoper“ nennt. In dieser Zeit sucht Ernst Josef Aufricht gerade nach einem Stück für die Eröffnung des Theaters am Schiffbauerdamm. Brecht hat etwas für ihn und bringt auch gleich seinen Komponisten Kurt Weill ins Spiel, der sich seit 1925 auch mit dem Kino beschäftigt.

Über eine Veranstaltung der „Novembergruppe“ mit „absoluten Filmen“ von Hans Richter, Walther Ruttmann, René Clair und Viking Eggeling schreibt Weill: „Ein geometrisches ‚Thema‘ wird aufgestellt und wird dann in allen möglichen Umgestaltungen, nach rein musikalischen Gesetzen verarbeitet. Diese abwechslungsvolle Aneinanderreihung rein optischer Gestaltungskräfte, dieses kontrapunktische Ineinandergehen – von Linien und Kreisen, zu den schließlich auf dem Höhepunkt als ausdrucksvollste Komponente die Farbe hinzukommt –, das alles vermag wohl den äußeren Eindruck eines Musikstücks zu erwecken, aber es bietet nur die Umrisse, nur die Konturen der Musik, es kann wohl einen Ausdruck vermitteln, aber das, was ausgedrückt werden soll, fehlt: die Seelenhaftigkeit, der innere Gesang.“

Am 31. August 1928, genau vor 90 Jahren, findet die Premiere des Werks statt, das nun „Die Dreigroschenoper“ heißt. Eine Art deutsches Musical, das mit Gassenhauern wie der „Moritat“ von „Mackie Messer“ gespickt ist. Was nicht so bekannt ist: Der Filmemacher Carl Koch hat große Teile der überaus erfolgreichen Aufführung – natürlich nur stumm – mitgefilmt. Leider ist das Material bis heute verschollen. Im Mai 1930 verhandeln Brecht/Weill mit Moriz Seeler („Menschen am Sonntag“) über eine Verfilmung des Stücks. Gleichzeitig hat der Bühnenverlag Felix Bloch Erben mit Seymour Nebenzahls Nero-Film einen Vertrag zur Verfilmung des Werks abgeschlossen. Brecht und Weill werden am Film beteiligt. Bereits am 15. August sollen die Dreharbeiten beginnen. Die Nero-Film gibt eine erste Besetzungslis­te bekannt: Hans Albers, Fritz Rasp, Reinhold Schünzel, Blandine Ebinger und Rosa Valetti. Nur Rasp und Schünzel werden am Ende übrig bleiben. Der Drehbeginn verzögert sich. Im September vollendet Brecht sein Filmskript „Die Beule. Ein Dreigroschenfilm“, und es beginnen die Dreharbeiten. Die musikalische Leitung hat man Theo Mackeben übertragen. Weill protestiert und lehnt eine weitere Mitarbeit ab. Brecht und Weill klagen gegen die Nero-Film. Es kommt zum Prozess. Es gibt einen Gewinner und einen Verlierer.

Brecht erreicht keine gerichtliche Verfügung gegen das neue Drehbuch, erhält aber eine finanzielle Entschädigung. Weill dagegen gewinnt das Entscheidungsrecht über die Verwendung seiner Musik in dem Film „Die Dreigroschenoper“ und einen Vertrag für mehrere künftige Filmprojekte, die dann aber doch nicht realisiert werden. Kurt Weills Stellungnahme dazu in der „Vossischen Zeitung“: „Seit dem Mai vorigen Jahres habe ich mich praktisch, theoretisch und juristisch mit den Problemen des Tonfilms beschäftigt, und ich habe in dieser Zeit so viel Erfahrungen gesammelt, dass ich nun wenigstens für mich weiß, was nötig wäre, um im Tonfilm wirklich künstlerisch zu arbeiten.“

Bis in die 1970er-Jahre hinein wird Pabsts „Die Dreigroschenoper“ ein verkanntes Meisterwerk der späten Weimarer Republik bleiben. Trotz der Hys­terie um den Prozess waren viele zeitgenössische Kritiker damals schon viel hellsichtiger gewesen. Shakespeareschen Humor hat zum Bespiel ein ano­nymer Rezensent der „Deutschen Filmzeitung“ in der doppelbödigen Inszenierung von Pabst entdeckt: „Die Oberwelt sieht sich in der Unterwelt gespiegelt, die Unterwelt in der Oberwelt. Die Menschheit sieht in ihren Spiegel. Was ihr entgegenschaut, ist die Wahrheit über sich, ist der nackte gnadenlose Mensch: der religionslose, egoistische Mensch.“

Im Abstand der Zeit sind Brechts Stück und Pabsts Film immer näher gerückt. Am Ende der „Dreigroschenoper“ fusionieren die Bettler- und die Verbrecherfabrik. Und es zählt nur noch die Ganovenehre.

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