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DTKV-Landesverbände stellen sich vor – Teil 1

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Deutscher Tonkünstlerverband Landesverband Bremen (DTLB) e.V.
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„Übrigens: In Bremen heißt die Dresdner Bank Bremer Bank“. In Anlehnung an diesen Schluss eines bekannten Werbeslogans der 1970er-Jahre könnte es auch lauten: „Übrigens: In Bremen heißt der DTKV DTLB“. Ein bisschen anders sein, ein bisschen atypisch handeln, ein bisschen quer denken, dabei aber ebenso zurückhaltend wie locker und sympathisch, so wirkt „der Bremer“. Jedenfalls wird es uns von außen oft so gesagt und warum sollten wir da widersprechen? Wir selber merken das nicht, wir sind ja ganz normal – und heißen deshalb eben DTLB.

Seit nun zweieinhalb Jahren habe ich das Glück und die Ehre, diesen Landesverband als 1. Vorsitzender zu begleiten und zu vertreten. Das ist lang genug, um vieles zu verstehen und das eine oder andere anzustoßen, andererseits ist es noch kurz genug, um aus vollem Herzen den Verband und seine Arbeit mit Stolz zu präsentieren, ohne dass es ein Eigenlob sein könnte, denn die meisten tollen Dinge wurden lange vor meiner Zeit gegründet, in die Wege geleitet oder als Saat in die tonkünstlerische Erde gebracht. Daraus ist über die Jahrzehnte eine kräftige und gesunde Pflanze mit unendlich vielen bunten Blüten geworden, von denen ich Ihnen hier einen Strauß vorstelle, zusammengebunden in der traditionsreichen Bremer Hausmusikwoche.

Ich weiß gar nicht, wie lange ich schon Mitglied bin und ich hatte lange Zeit gar nichts mit dem Verband zu tun oder „am Hut“ – außer dass ich es immer wichtig fand und zunehmend absolut unverzichtbar finde, eine Interessenvertretung zu haben und ihr auch anzugehören. Als Kirchenmusiker eher im öffentlichen Dienst tätig, war es für mich immer selbstverständlich, in der ÖTV beziehungsweise bei ver.di Mitglied zu sein und dem Verband der KirchenmusikerInnen anzugehören. Und genauso selbstverständlich bin ich irgendwann in den Tonkünstlerverband eingetreten.
Wirklich intensiven Kontakt bekam ich aber erst, als mich meine Vorgängerin, Britta Helmke, anrief, um mich zu fragen, ob ich Lust hätte, im Rahmen der 60. Bremer Hausmusikwoche im Jahr 2009 eine große Aufführung mit Chor und Orchester zu leiten.
Die Bremer Hausmusikwoche ist eine echte Institution, weit über Bremen hinaus bekannt, und ich kenne sie seit ich denken kann und selber Musik mache. Als Kind und Jugendlicher spielte ich Klavier und Fagott, letzteres damals ein absolutes „Mangelinstrument“ – entsprechend gefragt war ich (also: wegen meines Instrumentes). Die Bremer Hausmusikwoche ist immer im November terminiert – eben um den Tag der Hausmusik herum. Während einer ganzen Woche finden, schwerpunktmäßig jeweils um 17 und 20 Uhr, an sehr vielen Orten sehr viele Konzerte statt. Da ich in einem Bremer Vorort aufgewachsen bin, waren diese Konzerte, ob ich selbst spielte oder zuhörte, damals eine tolle Gelegenheit, andere Musizierende, andere Orte kennen zu lernen und – vor allem – mal „in die Stadt“ zu kommen. Unendlich viel habe ich selber dort gespielt, gelernt, es ergaben sich viele Kontakte und Anfragen.
Im Laufe der Jahrzehnte hat sich diese Bremer Hausmusikwoche zu einem außerordentlich qualitätvollen, interessanten und wohl auch einmaligen „Event“ entwickelt. Einige der Gründungsmitglieder sind heute noch im Bremer Verband aktiv. 1949 fand sie zum ersten Mal statt und bestand in den ersten Jahren überwiegend aus „Schülervorspielen“, „Klassenabenden“ oder eben – Hausmusiken, wie sie zu Bülows, Liszts und Mendelssohns Zeiten in den bürgerlichen Salons üblich waren. Dabei blieb es aber nicht. Diese Einrichtung wuchs, gedieh und blühte immer weiter – lange Zeit begleitet und sehr gut gepflegt von den PädagogInnen, die sie einst gründeten, die gleichen Leute übrigens, die (auch dies eine typische „Bremensie“) aus solchen halb privaten Initiativen und mit sehr viel kulturellem und politischem Weitblick aus einem Zweig der Musikschule ein Konservatorium entwickelten, dass schließlich zur „Hochschule für Künste“ wurde und heute je eine der führenden Abteilungen für Alte und für Neue Musik beherbergt. Die Bremer Hausmusikwoche wurde „zum größten Jugendmusikfestival der Bundesrepublik“, wie mal jemand sagte, der nicht aus Bremen kam, deshalb erlaube ich mir, das hier zu zitieren. Ob es nun „das größte“ ist, spielt keine Rolle und mag dahin gestellt bleiben, aber etwas Besonderes ist die Bremer Hausmusikwoche auf jeden Fall.
Aber zurück zu dem Jubiläum. Es wurde schließlich entschieden, dass zur 60. Ausgabe der Bremer Hausmusikwoche in einem großen Festkonzert Carl Orffs Carmina Burana aufgeführt werden sollte. Alle interessierten Lehrkräfte des Verbandes sollten das Werk mit ihren SchülerInnen im Unterricht einstudieren, außerdem sollten beziehungsweise mussten natürlich Chöre gefunden werden, die sich das zutrauten. Es entstand daraus ein riesiges Projekt, an dem insgesamt je 160 SängerInnen und InstrumentalistInnen beteiligt waren. Die jüngsten waren sechs, die ältesten achzig Jahre alt. An zwei Samstagen hatte ich die zusammenfassenden Tuttiproben zu leiten, zusätzlich gab es eine Generalprobe mit den SolistInnen und dann das Konzert – im angesagten und ausverkauften „Pier 2“ in der Bremer Überseestadt, dort, wo sonst Weltstars auftreten. Über die Sinnhaftigkeit solcher Projekte kann gestritten werden (wurde auch), es bleiben mir aber zwei Dinge sehr eindrücklich in Erinnerung. Zum Einen: Die Bühne war so voll, dass ich das Gefühl hatte, die gefühlt 37 Celli säßen geradezu ineinander verschachtelt. Bequem hatte es niemand dort. Einer der Kontrabassisten passte absolut nicht mehr auf das Podest, er musste von unten aus dem Saal spielen. Ich selbst hatte Glück, dass ich als Dirigent mit drauf konnte, es gelang so gerade eben. Den Chor der Ragazzi hatten wir ohnehin schon „ausgelagert“, er sang von einer der Zuschauertribünen.
Das Wichtigste aber war (und da bekommt ein solches Projekt dann eben doch „Sinn“): Mit geradezu unermüdlichem Engagement, sehr, sehr viel Zeitaufwand und unendlicher, liebevoller Geduld hatten die Lehrkräfte – also unsere Verbandsmitglieder – das Konzert vorbereitet und mitgetragen, ohne jede helfende Struktur, ohne viel organisatorischen Background und eigentlich ohne Etat. Sie wollten es machen und haben es geschafft. Und alle trugen alles mit. Die Mitwirkenden, im Orchester eben überwiegend sehr junge Menschen, setzten sich dieser Anstrengung aus, waren voller Eifer und Elan mit dabei, so voller Begeisterung und so mit Stolz erfüllt, dass das allein in diesem Fall allen Aufwand wert war. Die Qualität des Konzertes, das ich leiten durfte, bestand in genau diesen Elementen. Das heißt nicht, dass die künstlerische Ebene ganz egal ist. Aber es heißt, dass diese sich in anderem Licht, einer anderen Farbe zeigt, andere Facetten hat. Ein toller Abend.
Dass ein Verband ein solches Projekt verwirklichen kann, ist umso mehr etwas Besonderes, als es – natürlich – nebenher lief. Die ganz normale „60. Bremer Hausmusikwoche“ fand ja außerdem statt. Und das war kein geringes Programm. Im Jahr 2012 wird es nun bereits das 63. Mal sein. Zahlen und Fakten sprechen für sich: Zuletzt gab es 42 Konzerte mit rund 80 teilnehmenden Lehrkräften, es musizierten 900 SchülerInnen, und es kamen rund 3.000 BesucherInnen.
Der Charakter der Hausmusikwoche hat sich gewandelt, und es haben sich eine ganze Reihe „neuer Formate“ entwickelt: Lehrkräfte kooperieren und bieten zunehmend gemeinsam Konzerte an. Es gibt thematische Motto-Konzerte, Jazz-Musiken, Rock-Sessions und vieles mehr. Feste Ensembles treten auf, es gibt das „Lehrerkonzert“, die Matinee der Musikschule Bremen, den Kammermusikabend der Hochschule für Künste Bremen. Ziemlich neu sind die reinen Chorkonzerte, in aller Regel ein voller Erfolg. Ein weiterer und auch besonderer Höhepunkt ist die jährlich durchgeführte Begabtenförderung mit ihrem Abschlusskonzert: Über einen begrenzten Zeitraum hinweg erhalten bis zu fünf ausgewählte SchülerInnen zusätzlichen Unterricht bei „besonderen“ Lehrkräften, oft Mitglieder der Bremer Philharmoniker oder der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Für diese Gelegenheit wird jeweils ein Kompositionsauftrag vergeben und das Werk speziell auf die Instrumentalbesetzung der FörderschülerInnen abgestimmt. In einer mehrwöchigen Arbeitsphase setzen sich die Jugendlichen unter Anleitung mit diesem Musikstück auseinander, bis es schließlich im Rahmen der Hausmusikwoche uraufgeführt wird. Im letzten Jahr wurde im Eröffnungskonzert außerdem der Bremer Komponistenpreis an Tobias Klich vergeben: eine Zusammenarbeit zwischen dem Kultursenator der Freien Hansestadt Bremen, dem Landes-
musikrat und dem DTLB.
Auch in diesem Jahr wird es eine Neuerung geben: Der DTLB und der Münchner Verband gestalten ein kammermusikalisches Austauschprojekt. Zur Bremer Hausmusikwoche laden wir das Münchner Flötentrio ein (Elisabeth Weinzierl und Edmund Wächter, Flöte; Eva Schieferstein, Klavier). Sie musizieren Werke von Gloria Coates und Peter Kiesewetter, die speziell dem Trio gewidmet sind, dazu „Die Sehnsucht meines Geo-Dreiecks“ von Enjott Schneider. Außerdem wird es die Uraufführung eines Werkes des Bremer Komponisten Erwin Koch-Raphael geben. Im Gegenzug fährt im folgenden Jahr das Trio ad libitum Bremen nach München. Deren Programm enthält unter anderem Werke von Karsten Dehning, Violeta Dinescu, Morton Feldman, Olivier Messiaen, Wolfgang Rihm und Andreas Salm. Salm spielt im Trio Klarinette, Karsten Dehning Violoncello, außerdem ist Juliane Busse (Klavier) dabei. Der DTLB und seine Mitglieder sind sehr vernetzt, untereinander und innerhalb der Stadt. Dadurch können sehr viele Dinge auf „kurzem Weg“ angegangen werden. Der Bremer Landesverband hat den Ruf, einer der aktivsten Verbände zu sein. Und wenn ich mich in Bremen und „umzu“ (das heißt auf deutsch: „drum herum“) so umsehe und das Engagement unserer Mitglieder ansehe, dann glaube ich das auch. Wir haben außerdem das Glück, mit 342 Mitgliedern im Verhältnis zur Größe und Bevölkerungszahl Bremens der größte Landesverband zu sein. Über 28 Neuaufnahmen konnten wir uns im letzten Jahr freuen. Unsere Mitglieder werden immer mehr, und sie werden immer jünger, der Anteil der Studierenden und der Frauen darunter wächst kontinuierlich.
Dies zeigt, dass es immer mehr KollegInnen klar wird, dass es sehr sinnvoll und eigentlich wirklich notwendig ist, organisiert zu sein. Und es zeigt, dass immer mehr junge Menschen den DTKV (übrigens: In Bremen heißt …) als ältesten Berufsverband seiner Art zu ihrem eigenen machen und sich dort aufgehoben fühlen. Es liegen ja auch genügend schwierige Themen an. Und es ist nicht nur möglich, etwas anzupacken, sondern es macht auch Spaß und hat sehr viel Erfolg – siehe die Bremer Hausmusikwoche.
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