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Eigenwillige Musiker im Mai

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Neuveröffentlichungen der Popindustrie, vorgestellt von Sven Ferchow
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Vorgestellt werden Platten von: Jasmin Tabatabai, Katatonia, Brendan Benson, Paradise Lost und Mark Lanegan.

Insider kennen Mark Lanegan aus den Neunzigern. Als Sänger der Grunge-Band „Screaming Trees“ war er beim Urknall der Grunge-Bewegung nicht unbeteiligt. Allerdings waren die Erfolge der „Screaming Trees“ überschaubar. Mark Lanegan stellt mit „Straight Songs Of Sorrow“ ein ambitioniertes Soloalbum vor. Es wirkt über weite Strecken bemüht, auf keinen Fall nach Grunge zu klingen. Das funktioniert gut. Zwischen jeder Menge Elektronik und Synthie-Klängen wabert immer wieder mal Mark Lanegans Stimme durch. Schön, dass er sich selbst so aus dem Fokus nimmt. Allerdings ist das gleichzeitig ein Problem. Die restliche Instrumentierung findet nämlich so recht keinen Mittelpunkt. Vieles bleibt im Ungewissen, wirkt auf den ersten Blick behäbig und bietet keinerlei rote Fäden an. Ein Album für Frickler, Fragment-Hörer und Tüftler. (PIAS)

Paradise Lost, die man sich der Einfachheit halber gerne zwischen Gothic-Rock und Doom-Metal ins Regal stellt, bürsten dem Hörer mit „Obsidian“ das Trommelfell ordentlich frei. Zuckersüße Melodien lassen sich auf heftigste Gitarren ein. Grunzige Gesänge harmonieren mit feenartigen Strophen. Bitterste Riffs aus der Moll-Abteilung offerieren Hoffnung, Ausgänge und nicht weniger als das Himmelreich. Paradise Lost wirken so unvergleichlich frisch, so unfassbar Neunziger, so selbstverständlich gleichbleibend. Was man anderen Bands des Genres oft vorwirft – keine Veränderung – ist bei Paradise Lost das unschlagbare Argument. Nur keine Veränderung. Unbedingt so bleiben. Düster, makaber, laut, gewaltig und trotzdem noch freundlich. (Nuclear Blast)

Brendan Benson ist einer jener Songwriter, der seine Anfänge zu Beginn der 2000er hatte. Seitdem verschwindet er mal in der Versenkung und aus dem Blickfeld. Mittendrin taucht er wieder auf. Bringt ein Album mit und überrascht uns. So mit „Dear Life“. Brendan Benson war stets der lakonische Groove­meister, dem ein guter Rhythmus zuweilen gerne über einen guten Refrain ging. Bestätigt er auf „Dear Life“. Viele Songs taugen absolut zum „Stirn gegen die Tischkante wuchten“. Dabei beginnt die Strophe meist extrem lässig. Um im Refrain etwas einzubüßen. Doch Benson beherrscht sein Handwerk und findet schnell zur richtigen Ansprache zurück. Musikalisch hält er sich überall auf. Pop, Rock, Indie, Garage. Immer wieder klingt das ungeschliffen und damit charakteris­tisch. Bläser sorgen für Wohlfühlatmosphäre, teils schroffe Gitarren erinnern an ein Singer- und Songwriteralbum. Cooles Album, das an die eigenen Wurzeln appelliert. (Third Man)

Großes Kopfkino vertonen Katatonia auf „City Burials“. Wir befinden uns im Progmetal-Genre. Da kann es schon mal länger dauern. Bis man zum Refrain kommt. Allerdings sind Katatonia keine ewigen Verzögerer. Prägnant kommen sie auf den Punkt. Das Album klingt nie verspielt, gekünstelt oder nach gewollten Längen. Herausragend die instrumentelle Arbeit. Und weil „City Burials“ trotz vieler Schnörkel irgendwie doch ein schnörkelloses Album ist und sich dezent am guten Hardrock der Neunziger anlehnt, mag man es auf Anhieb. (Peaceville)

Jasmin Tabatabai, nicht nur als Schauspielerin bekannt, hat es also erneut getan. Gesungen. Gerne hören wir heute noch den Soundtrack zu „Bandits“, der Jasmin Tabatabai das Musiktor weit aufgesperrt hat. Viele Jahre später, sogar einen Jazz-Echo später, gibt es nun mit „Jagd auf Rehe“ das dritte Album. Tja. Viel kann man da nicht sagen. Außer: Geil geworden. Am besten ist, dass man sich nicht lang grämen muss. Ist das Jazz, ist das Chanson oder ist das sonstwas? Zusammen mit ihrem musikalischen Begleiter, dem Schweizer Musiker David Klein, hat Jasmin Tabatabai einen extrem lässigen Zyklus entworfen. Man erfreut sich regelrecht an zwei Reinhard Mey Songs (was nicht immer eine Selbstverständlichkeit ist), man lauscht gespannt jeder folgenden Note von Schuberts „Ständchen“ und sucht in Jasmin Tabatabais Neuschöpfungen von Nick Drakes „River Man“ oder Annie Lennox’ „Why“ vergeblich Fragmente des Originals. Dass selbst die Beatles mit einem – nennen wir es frivol – frechen „Cover“ von „Hey Jude“ dran glauben müssen, ist schon mehr als hörenswert. Jasmin Tabatabai nutzt ihre Freiheiten grandios aus. (Jadavi/Galileo).

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