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Eine gesunde Mischung aus digital und analog

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Das Herbstsymposium des Verbands deutscher Musikschulen
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Hatten sich Anfang Oktober noch rund 200 Musikschulleiterinnen und -leiter zur Hauptarbeitstagung (HAT) des VdM in Koblenz – analog und coronakonform – getroffen, so musste das der HAT traditionell im November in Trossingen folgende Herbstsymposium bereits wieder digital stattfinden. Bundesvorstand, Vorsitzende und Geschäftsführer/-innen der Landesverbände sowie einige Gäste kamen online zusammen, um über Erkenntnisse und Ergebnisse aus der HAT zu sprechen und zu diskutieren, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, welche Aktivitäten sich in welchen Zeiträumen ergeben und welche neuen Ziele sich der Verband gegebenenfalls auch setzen will.

Natürlich fehlt etwas, wenn man sich nicht „in echt“ sehen und treffen kann. Der persönliche Austausch, bilaterale Gespräche, die kreative Kaffeepause: Das alles findet nicht statt, wenn man sich nur als „Briefmarke“ auf dem Bildschirm begegnet. Andererseits ist eines der zentralen Themen für den Verband derzeit die Digitalisierung.

Schon vor Ausbruch der Pandemie hatte man dieses Thema für 2020 ganz oben auf die Agenda gesetzt. Das virtuelle Treffen von zirka 40 Teilnehmer/-innen des Herbstsymposiums passt da eigentlich ganz gut. Zumal diverse Techniken des Miteinander-Arbeitens im digitalen Raum die Kreativität der Gruppe durchaus zulassen und befördern. Zahlreiche Ergebnisse aus den Plenumsrunden wie aus den verschiedenen Arbeitsgruppen belegen dies.

Volker Gerland, Musikschulleiter in Dortmund, Mitglied des VdM-Bundesvorstands und Leiter der AG Digitales im Verband, startete mit einem „Szenario Musikschulen und Digitalität“ in die Veranstaltung, wobei der Begriff „Digitalität“ (anstelle von „Digitalisierung“) deutlich machen soll, dass im Musikschul-Ambiente immer von einem Neben- oder Miteinander analoger und digitaler Handlungsweisen die Rede sein muss. Die Diskussionen in Koblenz hatten schon gezeigt: Es gibt viel Offenheit, teilweise Begeisterung für die angesichts der Pandemie sich schnell entwickelnden Online-Lösungen für Unterricht, Meeting oder sogar Ensembleprobe. Der Kern der Musikschulaufgabe aber bleibt analog: Der Präsenzunterricht, die gemeinsame Orchester- oder Chorprobe, die EMP-Gruppe: Das alles lebt von der „Face-to-Face“-Situation, von der persönlichen Begegnung. Und die Diskussion zeigt auch: Musikschulen und Lehrkräfte zeigen sehr unterschiedliche Geschwindigkeiten auf dem Weg in die Digitalität. Die Frage, wie man möglichst alle mitnimmt, ohne Entwicklungen zu stark zu bremsen, muss also immer mitgedacht werden. Im Übrigen spricht Gerland auch von den unterschiedlichen Erwartungshaltungen in der Musikschulwelt: Schüler/-innen und Lehrende gehen zunächst von einem analogen Unterricht aus, während die „Kunden“, also Schülereltern oder auch Kooperationspartner Digitalität erwarten, ebenso auch – zumindest teilweise – Träger und Zuschussgeber.

Friedrich-Koh Dolge, Direktor der Musikschule Stuttgart und stellvertretender Bundesvorsitzender, skizzierte in seinem Eingangsstatement eine „Politische Strategie Digitalität 2021/2022“. Hier gibt es einen klaren und durchaus ambitionierten Fahrplan. Zu den aufgeführten Zielen gehören der Aufbau einer starken politischen Lobbystruktur auf Bundes- wie Länderebene, die Initiierung eines „Digital-Paktes – kommunale Bildungslandschaft Bund-Land-Kommune“ sowie die politische Unterstützung der digitalen Weiterentwicklung des musikalischen Bildungswesens in öffentlichen Musikschulen in verschiedenen Bereichen. Der Weg dorthin führt über verschiedene Prozessstufen hin zum „Meilenstein“ Bundestagswahl 2021.

Ein zweites aktuelles Thema für den VdM ist die Personalentwicklung an Musikschulen. An vielen Musikschulen unterrichten nach wie vor Honorarkräfte, auch wenn sich die Situation seit dem Stuttgarter Appell deutlich verbessert hat. Es geht aber auch um den pädagogischen Nachwuchs und darum, den Beruf des/der Musikschullehrers/-lehrerin attraktiv zu halten und attraktiver zu machen. Der Bundesvorsitzende Ulrich Rademacher sprach in diesem Zusammenhang über Fortbildungen, auch und gerade im Digitalbereich, über mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse für Lehrkräfte und ganz konkret auch über die Forderung nach tariflicher Höhergruppierung, die mit den Kommunalen Spitzenverbänden und den Kommunalen Arbeitgeberverbänden zu verhandeln sind. Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände, die sich im Rahmen des Symposiums rege an der Diskussion beteiligten, signalisierten Verständnis für die berechtigten Forderungen. Wichtig sei hier, neue Aufgabengebiete und zusätzliche Belastungen der Lehrkräfte transparent zu machen, um argumentativ gerüstet zu sein, wenn es in konkrete Verhandlungen geht. Diskutiert wurden Strategien, die erfolgreich sein könnten, ebenso die möglichen Zeitschienen solcher Strategien.

Nach der Plenums-Diskussion bearbeiteten Arbeitsgruppen unterschiedliche Fragestellungen. Um „Ziele und Strukturen“ ging es in einem der „Breakout-Räume“. Unter anderem wurde vielfach der Wunsch nach einer verlässlichen Einbindung der Musikschul-IT in kommunale Netze geäußert, ebenso wie die Forderung nach einem größeren Verständnis auf kommunaler Ebene für die Erfordernisse der musikalischen Bildung. Gleichzeitig muss es darum gehen, analoge Alleinstellungsmerkmale der Musikschule zu sichern und sichtbar zu machen, auch, um die Angst vor der Digitalisierung zu nehmen. Konkrete Ideen und Vorschläge gab es zum Thema Fortbildung, die sicher zukünftig im Fortbildungsprogramm des VdM Berücksichtigung finden. Auch über Prozessgestaltung im Rahmen der Digitalität wurde gesprochen, über die Notwendigkeit, neue Stellen zu konzipieren, das Knowhow aller Beteiligten einzubeziehen und verbindliche Qualitätskriterien für digitales Lernen zu entwickeln. „Digitalität verlangt nach Hierarchieabbau, Partizipationsausbau, Transparenz und Eigenverantwortung“, war eine Erkenntnis aus der Diskussion.

„Prozesse und Ressourcen“ behandelte eine weitere Arbeitsgruppe. Hier wurden zunächst Chancen und Risiken zusammengetragen. Auch hier wurde dann über Fortbildungen nachgedacht, ebenso über die Unterstützung, die man sich gegebenenfalls von außen holen muss. Gerade auch in der Musikschulverwaltung hält die Digitalisierung viele Chancen bereit, die hier gesammelt wurden. Noch einmal wurde deutlich, dass Chancen und Risiken sehr unterschiedlich bewertet werden. Die „gute Fee“ (wenn es sie denn gäbe) sollte, so die Mehrheit der Diskutanten, vor allem ein schnelles WLAN bringen, digitale „Kümmerer“ und digitale Endgeräte für Lehrkräfte. Zentrale Erkenntnis: Es gilt, „unsere Werte digital unterstützt weiterzugeben“. Einmal mehr zeigt dies den Wunsch nach der gesunden Mischung aus „digital“ und „analog“.  

„Politik und Kommunikation“ war das Thema der dritten Arbeitsgruppe. Noch einmal stand die Idee des „Digitalpakts Kommunale Bildungslandschaft“ im Mittelpunkt. Dabei wurden die Verantwortlichkeiten von Bund, Ländern und Kommunen einzeln beleuchtet, letztere noch einmal unterteilt in die Bereiche Kommunale Spitzenverbände, Träger, Musikschulleitung und Verband. Ein detailliertes Raster über die Verteilung der Aufgaben wird die zukünftige Vorgehensweise in diesem Bereich erleichtern und beschleunigen.

Alle Ergebnisse wurden im Plenum zum Abschluss zusammengefasst. Für den Verband ergibt sich daraus eine Agenda, die viel Engagement erfordert. Davon gibt es allerdings – so war aus dem „Geist“ dieser digitalen Zusammenkunft deutlich zu spüren – genug in der großen Musikschul-Familie.

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