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„Es geht nur gemeinsam“

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Was der DTKV mit anderen Verbänden im Beirat der Künstlersozialkasse erreichen kann
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Wer freiberuflich Kunst ausübt oder lehrt, kennt sie: die Künstlersozialkasse mit Sitz in Wilhelmshaven. Sie setzt das 1983 in Kraft getretene Künstlersozialversicherungsgesetz um, das Freiberuflichen eine ähnliche soziale Absicherung in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung ermöglichen soll wie Angestellten. Seit 2005 vertritt Ines Stricker den DTKV-Bundesverband im Beirat der Künstlersozialkasse (KSK), seit 2013 als ordentliches Mitglied. Darüber hinaus repräsentiert sie im Beirat auch den Deutschen Musik­rat als Dachorganisation. Viele DTKV-Mitglieder kennen die Stuttgarterin sicherlich aus Vortragsveranstaltungen und Publikationen als kompetente Expertin in Sachen Sozialversicherung. Für die nmz trafen wir sie im Online-Talk und sprachen mit ihr über ihr Ehrenamt und die Bedeutung der KSK in Zeiten von Corona.

neue musikzeitung: Was machen Sie als Mitglied im Beirat der Künstlersozialkasse?

Ines Stricker: Zu meinem Ehrenamt gehört es, die Mitglieder des DTKV, der Versicherte im Bereich Musik vertritt, soweit möglich in Dingen der Künstlersozialversicherung zu beraten und zwischen den einzelnen Mitgliedern und der KSK zu vermitteln, je nach Bedarf auch zusammen mit unserem langjährigen Verbandsjustiziar Hans-Jürgen Werner. Neben den Kolleginnen und Kollegen, die als Versicherte in der KSK sind, vertrete ich natürlich auch diejenigen DTKV-Mitglieder, die abgabepflichtig sind, zum Beispiel weil sie eine private Musikschule betreiben. Zudem berate ich umgekehrt die KSK als stellvertretendes Mitglied im Widerspruchsausschuss Musik.

Arbeit im Beirat

nmz: Wie setzt sich der Beirat der Künstlersozialkasse zusammen?

Stricker: Der Beirat besteht aus 24 ordentlichen und 24 stellvertretenden Mitgliedern, die zu gleichen Teilen Versicherte und Abgabepflichtige vertreten. Die Beiratsmitglieder werden von den Berufsverbänden der vier Sparten Wort, Musik, Bildende und Darstellende Kunst vorgeschlagen und alle vier Jahre vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales neu berufen. In den Sitzungen werden wir über die neueste Gesetzgebung informiert. Wir diskutieren über Fragen, die aus den Reihen der Verbände kommen. Außerdem wird auch der Haushalt besprochen und der Künstlersozialabgabesatz bekanntgegeben. Dann geht es um die Gesetzgebung und die aktuelle Rechtsprechung sowohl für die Versicherten wie für die Abgabepflichtigen. Normalerweise tagt der Beirat zweimal im Jahr, 2020 aus Gründen der Pandemie allerdings in reduzierter Besetzung.

nmz: Das heißt, im Beirat der KSK arbeiten die Verbände zusammen?

Stricker: Ja, das ist sogar entscheidend. Durch die Zusammenarbeit mit den anderen Berufsverbänden können wir gemeinsame Ziele formulieren und durchsetzen. Denn der DTKV ist ja keine Insel.  Ein großer Erfolg war beispielsweise die Online-Petition des DTKV zu einer verstärkten Überprüfung von abgabepflichtigen Unternehmen, unterstützt von den anderen Verbänden: In der Folge wurde 2014 das Künstlersozialabgabestabilisierungsgesetz verabschiedet. Zuletzt hat sich der DTKV zusammen mit anderen Verbänden gegen eine Erhöhung des Künstlersozialabgabesatzes gewandt – auch hier mit Erfolg: Der Abgabesatz bleibt auch 2021 mit 4,2 Prozent auf dem Niveau der Vorjahre. Der Einsatz lohnt sich also!

nmz: Der Zweck des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) hört sich relativ einfach an – Freiberuflichen eine ähnliche soziale Absicherung in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung zu ermöglichen wie Angestellten. Wie sieht das in der Praxis aus?

Stricker: In der Anwendung gestaltet sich die Umsetzung bei der Vielfalt an Lebens- und Arbeitsmodellen in der Musikszene natürlich komplex. Es kann beim Thema Elementare Musikpädagogik um die Anerkennung als Künstlerin oder Künstler gehen oder aktuell aufgrund des Lockdowns um die Möglichkeit eines nicht-künstlerischen Lebenserwerbs, ohne die Versicherung über die Künstlersozialkasse aufgeben zu müssen. Und immer wieder geht es um die – oft ungenügende – gesetzliche Altersrente.

Beratung für Mitglieder

nmz: Wer kommt normalerweise ratsuchend auf Sie zu?

Stricker: Da ich den DTKV im Beirat vertrete, kommen natürlich in ers­ter Linie DTKV-Mitglieder auf mich zu, die Fragen zur Künstlersozialversicherung haben. Vor allem sind das Versicherte – Musiker*innen, Pädagog*innen, Komponist*innen –, denn ich vertrete ja die Versicherten im Beirat. Aber im DTKV sind natürlich auch Abgabepflichtige Mitglieder. Denn wer zum Beispiel eine freie Musikschule hat, an der mehrere Honorarkräfte unterrichten, ist quasi Unternehmer*in und muss entsprechend der gezahlten Honorare Künstlersozialabgabe abführen. Im DTKV kommt das relativ oft vor. Wenn ich berate, dann meist in Rücksprache mit meinen Ansprechpartnern bei der Künstlersozialkasse.

nmz: Was sind Themen, die die Kolleginnen bewegen?

Stricker: Eine Frage, die uns jahrelang begleitet hat, war die Anerkennung der Elementaren Musikpädagogik (EMP). Konkreter Fall: Ich bin elementare Musikpädagogin, bin freiberuflich tätig und arbeite in meinen eigenen Unterrichtsräumen. Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2009 galt EMP plötzlich nicht mehr als künstlerisch-pädagogische, sondern als überwiegend pädagogische Tätigkeit. Richtiges musikalisches Lernen sei grundsätzlich erst ab einem Alter ab sechs Jahren möglich, in Ausnahmefällen auch ab einem Alter von vier Jahren. Anerkannt wurde dabei nur der Unterricht in einer öffentlich geförderten Musikschule. Hier ging es natürlich vorrangig darum, die KSK dahingehend zu überzeugen, dass es auch bei frühkindlichem musikalischem Lernen um künstlerische Inhalte geht, weil im Rahmen der EMP durch anerkannte Fachkräfte sehr wohl musikalische Fertigkeiten vermittelt werden – unabhängig davon, ob das Kind später einen Musikberuf wählt. Das Problem war, dass die KSK sich als Abteilung der Unfallkasse des Bundes, die zum Ministerium für Arbeit und Soziales gehört, an die bestehende Rechtsprechung halten muss und mit einer klaren Abgrenzung auch besser arbeiten kann.

nmz: Das Thema EMP ist sehr verbandsspezifisch.

Stricker: Ja, das Thema hat natürlich vor allem uns als DTKV besonders stark bewegt. Wir sind dann zu einem Gespräch bei der Künstlersozialkasse gewesen,  zusammen mit Vertretern unter anderem vom Verband deutscher Musikschulen (VdM) und dem Deutschen Musikrat. Wenn wir uns zusammenschließen und dann gemeinsam an die KSK herantreten und schauen, wie können wir unsere Sichtweise nachvollziehbar machen und was kann die KSK aus der Verwaltungssicht heraus bewegen und gegebenenfalls veranlassen, dann können wir sehr wirksam sein. Im Fall der EMP sind wir schließlich übereingekommen, dass, wenn Antragstellende nachweisen können, dass sie zum Beispiel nach den Maßgaben des VdM unterrichten, die künstlerische Lehre von einem Schüler*innenalter ab vier Jahren anerkannt werden kann. Aber natürlich wollen wir mittelfris­tig erreichen, dass qualifizierter Musikunterricht für jedes Lebensalter als künstlerisch-pädagogisch anerkannt wird.

Wichtiges Thema: Rente

nmz: Ein anderes wichtiges Thema ist die Rente ...

Stricker: Ja, ich werde in den letzten Jahren immer wieder gefragt: „Was kann ich tun, um meine kleine Altersrente aufzubessern?“ Denn wenn ich über die KSK versichert bin, bin ich ja pflichtversichert als Teil der gesetzlichen Sozialversicherung. Und wenn ich ein geringes Einkommen habe, habe ich natürlich auch geringe Rentenanwartschaften. Die Frage nach einer Aufbesserung der Rente geht eigentlich über das Thema KSK hinaus. Das ist eine Frage an die Deutsche Rentenversicherung, auf die wir auch immer verweisen. Aber es ist natürlich ein wichtiges Thema. Denn wenn ich wenig verdiene und am Ende womöglich auf die Grundrente angewiesen bin, ist das ein hartes Brot. Selbst die Grundrente bekomme ich nur, wenn ich 33 Jahre lang die Pflichtbeiträge bezahlt habe und maximal 80 Prozent des Durchschnittsverdiensts verdient habe. Das kann keine Aussicht sein, wenn ich studiert und für meinen Beruf auch schon vor dem Studium jahrelang gearbeitet habe.

Fragen zur Pandemie

nmz: Ist die Covid-19-Pandemie – direkt oder indirekt – zur Zeit auch ein Thema?

Stricker: Ja. Ganz stark geht es zur Zeit aufgrund des Lockdowns vor allem bei den darstellenden, also den konzertierenden Künstler*innen um die Frage, was sie tun können, um noch in der Künstlersozialkasse zu bleiben, obwohl sie wegen des Auftrittsverbots mittlerweile nicht-künstlerische Tätigkeiten ausüben müssen, um ihren Lebensunterhalt verdienen zu können. Ich kann neben meiner künstlerischen freiberuflichen Tätigkeit in eine Anstellung gehen, auch wenn diese nicht künstlerisch ist, und kann weiterhin über die KSK rentenversichert sein. Ganz anders sieht es aus, wenn ich freiberuflich nicht-künstlerisch dazuverdiene. Das darf ich lediglich geringfügig, also höchstens 450 Euro im Monat beziehungsweise 5.400 Euro im Jahr. Wenn ich über dieser Summe liege, bin ich in keinem Zweig der Sozialversicherung mehr über die KSK versichert. Auch nicht, wenn ich weiterhin als Künstler*in tätig bin. Was ich zur Zeit als Künstler*in auch tun kann, aber das ist natürlich der letzte Gang, den ich als Künstler*in antreten will, ist, über das Jobcenter Grundsicherung zu beantragen, besser bekannt als „Hartz IV“. Das sind derzeit 446 Euro pro Person. Hierfür gibt es zur Zeit einen erleichterten Zugang.

nmz: Denken Sie, die KSK ist gut aufgestellt für die derzeitige Situation von Künstler*innen?

Stricker: Zumindest reagiert die Küns­tlersozialkasse. Zum Beispiel wurde die Regelung des Mindesteinkom­-
mens vorübergehend ausgesetzt. Ich muss, wenn ich von der KSK als Künstler*in anerkannt werden möchte, neben der künstlerischen Befähigung ein Einkommen nachweisen, außer in der Berufsanfängerzeit. Das Mindesteinkommen liegt normalerweise bei 3.900 Euro pro Jahr. In diesem Fall heißt Einkommen „Gewinn“, also die berufsbezogenen Einnahmen minus die berufsbezogenen Ausgaben. Normalerweise kann dieses Einkommen innerhalb von sechs Jahren zweimal unterschritten werden. Aufgrund der jetzt pandemiebedingten Einkommenseinbußen gerade bei konzertierenden Künstler*innen werden die Jahre 2020 und 2021 nicht mit einbezogen. Außerdem bietet die KSK Stundungen bis zu maximal zwei Monatsbeiträgen und Ratenzahlung an. Was leider nicht geht, ist, rückwirkend zu viel gezahlte Beiträge zurückzufordern.

nmz: Wird, wer jetzt pandemiebedingt aus der KSK ausgeschlossen wurde, problemlos wieder aufgenommen, falls sich die allgemeine berufliche Situation wieder „normalisiert“?

Stricker: Auf jeden Fall! Wenn ich wieder künstlerisch tätig bin und wieder ein entsprechendes Einkommen nachweisen kann, dann kann ich die Wiederaufnahme sofort wieder beantragen.

nmz: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Stephanie Schiller.

Ines Stricker gehört dem Deutschen Tonkünstlerverband e.V. seit 1992 als Mitglied im Tonkünstlerverband Baden-Württemberg an. Nach einer beruflichen Phase als Sängerin und Musikpädagogin arbeitete Ines Stricker lange Zeit freiberuflich als Autorin und Redakteurin für Rundfunkanstalten und Printmedien. Sie betreute institutionenübergreifende Projekte wie „Short Music Stories“ und „Ganz Ohr! Musik für Kinder“. Von 2002 bis Anfang 2009 betreute sie als Redakteurin den baden-württembergischen Verbandsteil in der Neuen Musikzeitung (nmz) und die Mitgliederzeitung „tonkünstler-forum Baden-Württemberg“. Bis 2020 war sie außerdem Chefredakteurin des DTKV-Buchs der nmz.
ines.stricker [at] web.de (ines[dot]stricker[at]web[dot]de), https://www.kuenstlersozialkasse.de

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