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Fantastisch lebendige Barockkultur

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Die „Akademie für Alte Musik“ an der Hochschule für Künste Bremen feiert 30-jähriges Bestehen
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In diesem Jahr feiert Deutschlands erste Ausbildungsstätte für Alte Musik ihr 30-jähriges Bestehen: die „Akademie für Alte Musik“ an der Hochschule für Künste in Bremen. Die meisten Studenten verlassen die Stadt nach ihrer Ausbildung. Doch eine Handvoll Absolventen beschloss zu bleiben und gründete im Februar 2015 das „Bremer Barockorchester“ (BBO). Inzwischen ist die noch recht junge Gruppe um den künstlerischen Leiter Néstor Fabián Cortés Garzón zu einem 20-köpfigen international besetzten Ensemble herangewachsen. Allesamt „Alte-Musik-Spezialisten“. Sie kommen aus Australien, Japan, Frankreich, Ungarn, Estland, Italien, Deutschland, Mexiko, Chile und Kolumbien und haben an renommierten europäischen Schulen gelernt.

Auf dem Programm steht weltliche Barockmusik von Monteverdi bis Mozart, dargeboten im Sinne der historischen Aufführungspraxis. „Dabei legen wir Wert auf einen Mix aus Neuem und Altbekanntem“, sagt Cortés Garzón. „Mit dem Ostfriesen Erlebach etwa, aber auch mit Albicastro oder Quentin bringen wir noch unbekannte, aber höchst spannende Komponisten zu Gehör.“ Ein derart auf Barockmusik spezialisiertes Orchester fehle in der Hansestadt bislang. „Gerade weil Bremen als Zentrum für Alte Musik gilt, muss es selbst welche produzieren und auch exportieren“, ist Cortés Garzón überzeugt.
Diese Lücke will das BBO schließen. In seiner Reihe „Barock & Umzu“ gibt es für den stetig wachsenden Freundeskreis viermal im Jahr ungewohnt lebendige Konzerte in der Kirche Unser Lieben Frauen (ULF) im Herzen der Stadt: Mal bewegen sich die Solisten musizierend durchs Kirchenschiff, mal tanzt dort ein farbenprächtiges Ensemble zu Menuett und Sarabande. „Im 17./18. Jahrhundert gab es noch keine Musicals, kein Kino, keine Disco“, sagt der künstlerische Leiter. „Da waren Konzertabende richtige Shows, die manchmal Stunden dauerten. Da passierte Unerwartetes, es wurde gesungen, manchmal getanzt.“ Diesen Zeitgeist will das Ensemble aufleben lassen, will überraschen und die Zuhörer mit seiner Begeisterung für die Musik anstecken. „Wir wollen zeigen, dass unser altes kulturelles Erbe lebendig sein kann“, fasst Cembalistin und Gründungsmitglied Nadine Remmert zusammen.
Ganz zentral sei dabei die Improvisation. Eine Kultur, die in heutigen Orchestern fast völlig in Vergessenheit geraten sei. „Die barocke Notation lässt den Musikern viele Freiheiten. Damals hat man sich beim Musizieren auf seine Fantasie verlassen“, sagt Remmert. „Ein bisschen wie im Jazz, ohne Diktat. Jeder ist aktiv dabei und darf beispielsweise spontan eine Kadenz improvisieren.“ Die Instrumentalisten verständigen sich dabei allein über Blicke. Dadurch entsteht ein organisches, sehr lebendiges Zusammenspiel. Ein Dirigent ist überflüssig. „Auch das ist sehr barock“, erklärt Cortés Garzón. „Damals gab es lediglich einen Taktschläger.“ Um für die eigene Entwicklung immer wieder neue Impulse zu bekommen, lädt sich das Orchester wechselnde Konzertmeister ein. International herausragende Künstler wie Midori Seiler, Ryo Terakado, Stéphanie Paulet oder Olivia Centurioni musizierten bereits am Pult der ersten Geige und ließen sich von der Frische und der Authentizität der Interpretationen mitreißen.

www.bremer-barockorchester.de

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