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Herbstliche Künstler im Winter

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Neuerscheinungen der Popindustrie, vorgestellt von Sven Ferchow
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Sie sind selten geworden, die Alben, die man durchhören kann. Ohne gesundheitliche Schäden zu nehmen. John Mellencamp legt eines dieser lang vermissten Alben vor. +++ Tocotronic stellen mit „Nie wieder Krieg“ ein Album vor, das man tatsächlich versteht. +++ Über 25 Jahre gibt es die amerikanischen Indie-Rocker Eels schon. +++ Kiefer Sutherland ist einer der wenigen singenden Hollywood- Schauspieler, denen man zuhören kann. +++ Ungefähr 2016 erschien der australische Singer-Songwriter Hein Cooper auf der Bildfläche. +++ Die Schmuse-Hardrocker Magnum sind seit 50 Jahren im Geschäft.

Sie sind selten geworden, die Alben, die man durchhören kann. Ohne gesundheitliche Schäden zu nehmen. John Mellencamp legt eines dieser lang vermissten Alben vor. „Strictly A One-Eyed Jack“ lässt sich nur als Gesamtheit betrachten. Rock, Blues, Folk jammert hingebungsvoll (oft mit kratzenden Saloon-Geigen) in all seinen Extremen dahin. Zweifellos sind die beiden mit Bruce Springsteen eingespielten Songs „Did you say such a thing“ und „Wasted Days“ absolute Höhepunkte. Erster ein rotziger, ironischer Halbrocker, zweiterer eine klassische Singer-Songwriter-Hymne mit flehentlichem Refrain. Der dritte mit Springsteen dargebotene Song „A life full of rain“ setzt den würdigen Schlusspunkt unter ein Mellencamp-Album, das man ihm eventuell nicht mehr zugetraut hat. Fazit: Er kann es eben noch. (Republic)

Tocotronic stellen mit „Nie wieder Krieg“ ein Album vor, das man tatsächlich versteht. Waren vergangene Alben vielleicht für manche Hörerinnen und Hörer etwas verkopft und verquer, gefällt „Nie wieder Krieg“ mit klarer Linie, eindeutigen Kanten und prägnanter Rockmusik. Schon die beiden Eröffnungslieder (Nie wieder Krieg, Komm mit in meine freie Welt) sind an textlicher, sprachlicher und musikalischer Eindeutigkeit nicht zu überbieten. Natürlich ist es platt zu behaupten, „Nie wieder Krieg“ funktioniert sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit. Was immer das bedeuten soll. Dennoch. Dieses Album auf dem Sony CD-Walkman und damit Ende der Achtziger durch Berlin, Hamburg oder sonst wo zu trödeln. Eine geniale Vorstellung. Tocotronic sind also jetzt doch für alle da. (Vertigo Berlin)

Kinder, wie die Zeit vergeht. Über 25 Jahre gibt es die amerikanischen Indie-Rocker Eels schon. In Zahlen: „Extreme Witchcraft“, das aktuelle ist gleichzeitig das vierzehnte Album. Es findet haargenau die Mischung, die derzeit nötig ist. Lebensbejahung (Good Night on Earth), Ironie (Strawberries & Popcorn), Bitterkeit (So Anyway) oder Zugeständnisse (I know you’re right). Dahinträumen. Warten. Flucht. Das alles lässt sich mit „Extreme Witchcraft“ erledigen. Weil die Gitarren schmutzig klingen, aber trotzdem schön glänzen. Weil die Beats schieben, aber die Handbremse in Griffweite haben. Und weil ein lakonischer Gesang geschickt zwischen den Welten vermittelt. (E Works)

Kiefer Sutherland ist einer der wenigen singenden Hollywood- Schauspieler, denen man zuhören kann. Wobei „Bloor Street“ freilich kein Klassiker der Country-affinen Musik ist. Oder werden wird. Kiefer Sutherland spielt recht harmlosen, nicht verletzenden Country-Pop. Ecken und Kanten sucht man verzweifelt. Dennoch gelingt es ihm mit Hilfe erfahrener Begleiterinnen und Begleiter den völligen Schmonzetten-GAU zu verhindern. Am Ende sind es doch elf brauchbare Songs, die dahintrotten und immerhin die Mindestanforderungen erfüllen: ernsthafte Harmonien und eine „in den Sonnenuntergang reitende“ Atmosphäre, die man goutieren darf. (Co-op Music)

Ungefähr 2016 erschien der australische Singer-Songwriter Hein Cooper auf der Bildfläche. Sein Debüt-Album „The Art Of Escape“ darf man als Kracher des Genres bezeichnen. 2022 gibt es nun das Album „True to You“. Cooler Move. Hein Cooper tobt sich aus. Zwischen aufgekratzt und seriös lassen sich die vierzehn Songs beschreiben, die zu legerem Kopfnicken Anlass geben. Refrains werden vorbereitet, wenn nötig gibt es ein Kopfstimmchen im Refrain, vermeintliche Balladen (The One) ziehen einen noch anständig nach unten. Wunderbar. (Nettwerk Music Group)

Die Schmuse-Hardrocker Magnum sind seit 50 Jahren im Geschäft. Markenzeichen: die harmonische Zusammenarbeit zwischen Bob Catley (Gesang) und Tony Clarkin (Gitarre). Dabei gelingt Magnum mit „The Monster Roars“ das Kunststück, keine faulen oder runtergerockten Melodien zu verramschen, sondern in der Tat immer wieder neue, auch überraschende Töne hervorzuzaubern. In dem Genre, in dem sie unterwegs sind, ist das wirklich eine Seltenheit. Vielleicht nahm oder nimmt das Keyboard so ein klein wenig die Mittelstellung in vielen Songs ein, aber letztendlich ist das zu verschmerzen. Hardrock der chilligen Sorte, mit ein klein wenig Richard Clayderman-Einflüssen. Zwinkersmiley. (Steamhammer)

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