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Filmplakat "Die Drei von der Tankstelle".
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Im Kabinett des Dr. Larifari

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„Lachende Erben“: Zu einer Filmreihe mit musikalischen Komödien in Berlin
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Es geht wieder mal um den deutschen Humor. In einem großen Projekt des Zeughauskinos im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Den ganzen März durch wird dort auf der Leinwand, gelacht, geliebt, verwechselt und gesungen werden in einer kleinen, aber sehr feinen Reihe mit Filmen aus der späten Weimarer Republik, der frühen Tonfilmzeit bis 1933, als die Nazis dieser Art von zumeist jüdischem Entertainment ein Ende setzten. Was diese dann unter Humor verstanden, kann man später in diesem Projekt sehen, denn diese Reihe soll fortgesetzt werden.

Der Titel „Lachende Erben“ ist perfekt gewählt. Auch wenn der titelgebende Film von Max Ophüls mit Heinz Rühmann in dieser Reihe fehlt. Aber Rühmann hat hier natürlich auch seinen ganz großen Auftritt, in der ersten ganz großen Tonfilmoperette der Ufa: „Die Drei von der Tankstelle“. Schon seit der Stummfilmzeit hatte der Produzent Erich Pommer an der „Musikalisierung“ des Kinos gearbeitet. Und als nun 1929 auch in Deutschland der Tonfilm eingeführt wurde, konnte er sein Projekt als Ufa-Produzent vollenden. Zusammen mit dem genialen Komponisten Werner Richard Heymann, der zusammen mit Friedrich Hollaender in der frühen Weimarer Republik ein Cabaret-Musikus war und danach auch viele – leider verloren gegangene – Partituren für Klassiker wie Murnaus „Faust“ geliefert hatte, „erfand“ Pommer ein neues deutsches Filmgenre: die Tonfilmoperette. Ein Filmgenre, das erst in den letzten Jahren gründlicher erforscht wurde.

Musikalisches Kino

In den späten Neunzigerjahren hatten in Hamburg gleich zwei „Cinegraph“-Kongresse die „basics“ geliefert für einen neuen Blick auf das musikalische Kino der Weimarer Zeit und der frühen Nazi-Jahre. 2007 hat dann schließlich Michael Wedel seine „Archäologie“ des Genres vorgelegt: „Der deutsche Musikfilm“. Ein Standardwerk der deutschen Filmwissenschaft.

Richard Oswalds „musikalischen Tonfilmproduktionen“ widmet Wedel ein eigenes Kapitel. In der Stummfilmzeit war Richard Oswald der Experte für den „Sittenfilm“ gewesen. In der Tonfilmzeit wurde er zum Spezialisten für Musikfilme. Seine Verfilmungen der beiden Paul-Abraham-Operetten „Viktoria und ihr Husar“ und „Die Blume von Hawaii“ machten sogar Pommers Ufa-Tonfilmoperetten ernste Konkurrenz. Schon sein „Wiener Schmarrn“ – „Wien, Du Stadt der Lieder“ – hatte 1930 sein großes Talent fürs musikalische Kino gezeigt. Ein Lustspiel über ein „Wiener Mädel“ mit Charakterkomikern wie Max Hansen, Max Ehrlich, Paul Morgan, Paul Graetz und Siegfried Arno, die schwungvoll ihre „Nummern“ ablieferten wie die amerikanischen Vaudeville-Komiker in Hollywood. Die Übergänge zwischen Spiel- und Gesangsszenen sind sehr fließend. Und wie der auch an der Technik sehr interessierte Wedel dazu bemerkt: „Vor allem die zur Untermalung des musikalisch entfachten Schwungs äußerst beweglich gehandhabte Kamera weist unter den Tonfilmaufnahme-Bedingungen jener Frühzeit des Tonfilms eine bemerkenswerte Eleganz in der Verbindung von stabilem Ton- und mobilem Bildeindruck auf.“ Er verleihe damit seinen Filmen ein „besonderes Fluidum“ in der visuellen Artikulation.

In dein Parfüm verliebt

Ein ganz anderes Wien inszeniert Max Neufeld in einem der schönsten österreichischen Filme der frühen Tonfilmzeit: „Sehnsucht 202“. Ein urbanes Wien, „on location“ gedreht. Mitten auf der Straße beginnt dann auch Bobby (oder war es Harry?) seine Angebetete anzusingen: „Mein Schatz, ich bin in dein Parfüm verliebt“. Das hat schon einen Touch von Nouvelle Vague, als Godard, Demy oder später auch Rivette das Singen in der Stadt in Szene setzen sollten. Das Flanieren jedenfalls hat schon in diesem Wien von 1932 mehr Gewicht als das Bilanzieren, das eigentlich die Handlung von unseren Helden verlangen würde. Und so zieht sich bald der Himmel über Wien grau zusammen. Es wird eng für unsere Helden in dieser Depressions-Komödie.

Eine „freihändige Spurensuche an den Rändern“ nennen die Zeughauskino-Kuratoren ihr Konzept. Das klingt auch nach Leichtfüßigkeit im Umgang mit diesen Filmen, die aber sehr sorgfältig ausgewählt wurden. Wenig Ufa-Tonfilmoperetten, dafür mehr Filme von kleinen freien Produzenten, die Talente wie Curt Bois, Max Hansen oder den frühen „Tomboy“ Dolly Haas für sich entdeckten. Vielleicht muss man sich diese auch ein bisschen vorstellen wie die Herrschaften in „Das Kabinett des Dr. Larifari“, die versuchen einen Film auf die Beine zu stellen, verkörpert von Max Hansen, Carl Jöken und Paul Morgan. Hier wird gesungen und parodiert bis der Doktor kommt. Wer allerdings auf Dr. Larifari wartet, wird enttäuscht werden. Und auch Dr. Caligari lässt sich hier nicht blicken, was in diesem Fall auch besser ist. Der Titel war einfach nur ein Spiel mit dem Titel des berühmten Horrorfilmklassikers gewesen und hatte wirklich gar nichts zu bedeuten. Eigentlich eine ganz moderne Idee.

Geprägt werden die meisten dieser Filme von der Körperkomik der oft auch singenden Schauspieler. So hat zum Beispiel Margo Lion ihren ganz großen grotesken Auftritt in Anatole Litvaks „Nie wieder Liebe“. In einer Hafenkneipe verrenkt sie sich zu Mischa Spolianskys „Leben ohne Liebe kannst Du nicht“. Natürlich liegen ihr in diesem magischen Moment alle zu Füßen, wie einst in den Berliner Cabarets, in denen sie auftrat mit Chansons, die ihr Marcellus Schiffer auf den dürren Leib geschrieben hatte. Schiffer hatte 1932 auch den Text geliefert zu einem der größten Tonfilmschlager der späten Weimarer Republik, der zum geflügelten Wort geworden ist: „Heute Nacht oder nie“. Er war das musikalische Leitmotiv eines Jan-Kiepura-Vehikels gewesen, das wieder Litvak inszeniert hatte: „Das Lied einer Nacht“. Traumhaft die Anfangssequenz, in der das Lied eine Reihe von Räumen orchestriert. Noch vor Busby Berkeley geht es hier schon in Richtung Videoclip, wie auch in vielen anderen „Nummern“ dieser innovativen musikalischen Komödien. Marcellus Schiffer hat noch vor der „Machtergreifung“ Selbstmord begangen, so hat er die „Entjudung“ der Filmindustrie nicht mehr miterleben müssen. Viele der an diesen Filmen beteiligten Regisseure, Autoren, Komponisten und Schauspieler verließen Deutschland 1933, manche versuchten noch bis zum „Anschluss“ in Wien zu „überwintern“, andere gingen ins Exil. Und einige andere einstige „Stars“ der Cabaret-Szene – wie Kurt Gerron – wurden von den Nazis ermordet. Ihr Humor sollte ab 1933 die neue „Leitkultur“ im Dritten Reich prägen.

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