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24 Jahre liegt das letzte Album von Everything But the Girl zurück. Wir erinnern uns.
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Juli im Juni mit Frankenstein

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Neuerscheinungen der Popindustrie, vorgestellt von Sven Ferchow
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Therapy?, die alten Rockenthusiasten, melden sich mal wieder mit einem Album namens „Hard Cold Fire“. +++ Wenn eine Band alternativ ist, dann bitte The National. +++ Juli, die Band um Sängerin Eva Briegel, sagt 2023 mit dem Album „Der Sommer ist vorbei“ überraschend „Hallo“. +++ Mando Diao lassen es mit „Bob­likov’s Magical World“ krachen. +++ 24 Jahre liegt das letzte Album von Everything But the Girl zurück. Wir erinnern uns. Nun ja, nicht mehr, ehrlich gesagt.

Therapy?, die alten Rockenthusiasten, melden sich mal wieder mit einem Album namens „Hard Cold Fire“. In all den Jahren haben sich Therapy? stets diesen Crossover-New Metal-Hardrock-Flow bewahrt und erhalten. Von der Stange war das nie, ist es auch dieses Mal nicht. Ungewohnte Rhythmus-Muster führen durch die Strophe (Woe), bei Gelegenheit taucht am Horizont ein Refrain auf, der den Kopf ordentlich zum Schunkeln bringt. Auch „Jo“ oder „Mongrel“ schlagen sprichwörtlich in die gleiche Kerbe. Ein cooles und dieser Tage sicherlich ungewöhnliches Album (Marshall).

Alternativ nennt man gerne jene Bands, die man nicht katalogisieren kann. Irgendwie machen die alles und nichts. Aber Vorsicht! Wenn eine Band alternativ ist, dann bitte The National. 2019 erschien das letzte Album, das aktuelle „First Two Pages of Frankenstein“ hätte es fast nicht geschafft. Sänger Matt Berninger befand sich in einer seiner tiefsten Schaffenskrisen überhaupt. Sehr dunkel schien es dort gewesen zu sein, wo er sich aufhielt. Letztendlich schwamm die Band samt Berninger ans Licht. Und „First Two Pages of Frankenstein“ ist goldenes Licht. Was für Songs, was für Arrangements, was für traurig-schöne Stimmungen und Atmosphären. Wenn man sich nach dem ersten Hören beruhigt hat, wird es schwierig. Welcher Song war der hoffnungsvollste (The Alcott, New Order T-Shirt), welcher der traurigste (Once Upon a Poolside oder This Isn’t helping), welcher der wunderbarste (Ice Machines). Oder umgekehrt? Vielen Dank für dieses grandiose Songwriter-Band-Album, an dem auch Taylor Swift, Phoebe Bridgers und Sufjan Stevens mitgewirkt haben. Chapeau (4ad/Beggars Group/Indigo)!

Mein Gott ist das alles lange vorbei. Es war Anfang der 2000er Jahre, als der Markt schlagartig von deutschsprachigen Bands überflutet wurde. Viele haben es nicht geschafft (u.a. Wir sind Helden), andere sind verschwunden (u.a. Silbermond), aber Juli, die Band um Sängerin Eva Briegel, sagt 2023 mit dem Album „Der Sommer ist vorbei“ überraschend „Hallo“. Entsprechend dem Albumtitel ist es die Melancholie der 15 Songs, die im Fokus steht. Garniert wird sie mit poppigen Songs, die leider recht ersetzbar klingen, teils emotionsentkernt wabern und bestenfalls Allerweltsbetroffenheit transportieren. Das ist extrem glatt und digital produziert, es gibt wenig Staub, Schleifpapier oder Hornhautfeilen, an denen man sich reiben könnte. Mitunter kommt das eine oder andere Reimwort oft recht pampig und plump um die Ecke. Dennoch ist es insgesamt vielleicht doch eine Platte, die meinetwegen die heutigen Mittdreißiger gerne hören können. „Fette wilde Jahre“, der Song, der noch am ehesten zarte Emotions-Pflänzchen sprießen lässt, passt dabei wie die Faust aufs Auge (Universal).

Mando Diao lassen es mit „Bob­likov’s Magical World“ krachen. Kurzer Exkurs, denn das Album hat ein Konzept. Der Protagonist befeh­ligt eine Gruppe von Agenten, die über die ganze Welt verstreut sind und die von Boblikov Anweisungen erhalten, um böse Taten auszuführen. Nun, ein bisschen hilft das Hintergrundwissen schon, das Album musikalisch einzuordnen. Schließlich befinden wir uns mit „Boblikov’s Magical World“ in einer Comic-Parallelwelt. Aber egal. Mando Diao geben alles. Abermals sind es diese hibbeligen nervösen Grundanstriche der Songs, die beim Hören entzückendes Chaos anrichten. Und schließlich, unverhofft, mündet das alles in einen Hammer-Refrain, der dafür verantwortlich ist, dass der Gesamtsong aufgeht und Sinn ergibt. Muss man können. Mando Diao können es (Playground Music / Cargo).

24 Jahre liegt das letzte Album von Everything But the Girl zurück. Wir erinnern uns. Nun ja, nicht mehr, ehrlich gesagt. Aber gut, das Ehepaar Ben Watt und Tracey Thorn, die Köpfe von Everything But the Girl waren nicht unbeschäftigt: Sieben Soloalben, drei Kinder, fünf Memoiren und drei Plattenfirmen kamen dazwischen. Also hinein ins Vergnügen mit „Fuse“. Wir hören Musik. Aller Richtungen, grenzenlos. Nichts drängt, schiebt oder wirkt hektisch. Wahrscheinlich gab es nie einen unaufdringlicheren Soundtrack, um an verregneten Sommerabenden ungeniert mit Freunden den Weinvorrat zu leeren. „Fuse“ ist auf jeden Fall komplett anders (Virgin Music Las, Universal Music). 

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